Das deutsche Bundeskabinett wird voraussichtlich in den nächsten Stunden bzw. Tagen ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie verabschieden, das unverzüglich bzw. mit Rückwirkung zum 01.03.2020 in Kraft treten soll. Hier einige erste Informationen mit dem Vorbehalt möglicher Änderungen und Anpassungen.
Moratorium für Leistungs- und Zahlungspflichten bei Dauerschuldverhältnissen
Von der COVID-19 Pandemie Betroffene, die Verbraucher oder Kleinstunternehmen (bis 9 Beschäftigte und bis EUR 2 Mio Umsatz p.a. oder bis EUR 2 Mio Bilanzsumme, wobei Einzelunternehmen einer Unternehmensgruppe zusammengerechnet werden) sind, erhalten bis 30.09.2020 einen Aufschub für alle Leistungs- und Zahlungspflichten in Form eines Leistungsverweigerungsrechts aus Verträgen, die vor dem 08.03.2020 geschlossen wurden und sog. Dauerschuldverhältnisse sind. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung und so lange, als sie anderenfalls ihren angemessenen Lebensunterhalt bzw. ihre wirtschaftliche Grundlage gefährden würden.
Das Moratorium gilt jedoch nicht
- für Kauf- oder Werkverträge (Kauf/Bau von Yachten)
- für Verpflichtungen aus Arbeits- und Reiseverträgen
- für Raum-Miet- sowie Darlehensverträge, für die eine vorrangige Sonderregelungen gilt
Das Leistungsverweigerungsrecht ist ausgeschlossen, wenn durch die Nichtleistung die wirtschaftliche Grundlage des Gläubigers gefährdet würde; in dem Fall hat der Schuldner jedoch ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht, um sich vom Vertrag zu lösen.
Darlehensverhältnisse:
Eine Kündigung von vor dem 15.03.2020 geschlossenen Darlehensverträgen mit Verbrauchern (bei denen ein Unternehmer Darlehensgeber ist) wegen Zahlungsverzuges oder wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ist bis sechs Monate nach Fälligkeit ausgeschlossen.
Bei vor dem 15.03.2020 geschlossenen Darlehensverträgen mit Verbrauchern, sind Ansprüche der Bank auf Zins, Tilgung oder Rückzahlung des Darlehens, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.09.2020 fällig werden, für sechs Monate gestundet, wenn die COVID-19 Pandemie beim Darlehensnehmer zu Einnahmeausfällen geführt hat und die Zahlung seinen angemessenen Lebensunterhalt gefährden würde. Kommt es bis dahin nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, verlängert sich das Darlehen automatisch um weitere sechs Monate.
Durch Verordnung werden die vorgenannten Regelungen ggf. auch auf Kleinstunternehmen (siehe oben) erweitert. Ob eine solche Verordnung kommt oder nicht, ist uns noch nicht bekannt. Kommt sie nicht, würde das bedeuten, dass reihenweise Kleinstunternehmen ihre Darlehensverpflichtungen nicht mehr erfüllen könnten, wenn ihre Mieter von dem o.g. Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Verlängerung der vorgenannten Regelungen: Sollten die Folgen der COVID-19 Pandemie anhalten, können die vorgenannten Fristen (bzgl. Moratorium, Mieterkündigungsausschluss, Darlehensstundungen) bis 31.07.2021 verlängert werden (die de facto mietfreien Monate jedoch nur bis 31.03.2021 und die Darlehensstundungen-, -verlängerungen und Darlehenskündigungsausschlüsse können auf 12 Monate ausgeweitet werden).
Mieterschutz:
Die Pflicht zur Mietzahlung bei Mietverträgen über Grundstücke oder Räume bleibt zwar im Grundsatz bestehen. Allein wegen Mietschulden für die Zeit vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 darf der Vermieter jedoch den Mietvertrag nicht kündigen, wenn der Mieter (gleich ob Privatperson oder Unternehmen) die Miete aufgrund der COVID-19 Pandemie Folgen nicht zahlen kann (was zugunsten des Mieters vermutet wird, sofern er es glaubhaft macht – d.h. der Vermieter müsste das Gegenteil beweisen). Die Regelung gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerbemietverhältnisse. Der Mieter hat dann zwei Jahre Zeit, den Mietrückstand von bis zu 3 Monaten nachzuzahlen (so lange gilt das Kündigungsverbot). Mietern und Pächtern kann für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 nicht wegen ausgefallener Mietzahlungen aufgrund der COVID-19-Pandemie gekündigt werden. Die Miete bleibt für diesen Zeitraum weiterhin fällig; es können auch Verzugszinsen entstehen.
Aussetzung Insolvenzantragspflicht und insolvenzrechtliche Sonderregeln:
Die Insolvenzantragspflicht wird bis zum 30. September 2020 ausgesetzt (sowohl für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit wie auch für den Insolvenzgrund der Überschuldung). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung der COVID-19 – Pandemie beruht ist oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussicht darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Für voraussichtlich den Zeitraum von drei Monaten können Gläubiger keinen wirksamen Fremdinsolvenzantrag gegen Schuldner stellen, außer der Insolvenzgrund lag bereits am 1. März 2020 vor.
Soweit keine Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 besteht, können Geschäftsführer von haftungsbeschränkten Unternehmen auch nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Zahlungen “im ordnungsgemäßen Geschäftsgang” leisten, ohne sich persönlich haftbar zu machen. Dazu zählt ausdrücklich auch eine Zahlung zur “Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts”.
Das Haftungsrisiko für Banken oder Gesellschafter, die in der Krise einen Kredit (bis zum 30.09.2020, rückzahlbar bis 30.09.2023) oder eine Besicherung hierfür gewähren, entfällt, d.h. eine solche Kreditgewährung oder –Besicherung stellt keine sittenwidrige Handlung oder strafbare Beihilfe zu Insolvenzverschleppung dar.
Sog. “kongruente Rechtshandlungen” im Zeitraum bis 30.09.2020 sind nicht insolvenzrechtlich anfechtbar, außer wenn der andere Teil wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht die eingetretene Zahlungsunfähigkeit beseitigen konnten.
Eine mögliche Verlängerung der Aussetzungsfrist bis 30.09.2020 im Verordnungswege bis 31.03.2021 ist bereits im Gesetz verankert.
BMF-Schreiben: Stundung / Herabsetzung / Erlass / Verzicht auf Vollstreckung
Das BMF hat am 19.03.2020 ein Schreiben veröffentlicht, auf dessen Basis die Landesfinanzbehörden steuerliche Maßnahmen im Bereich der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus ergreifen können. Steuerpflichtige, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind, können Anträge auf zinslose Stundung der bis zum 31.12.2020 fälligen oder fällig werdenden Steuern stellen. Die Betroffenen müssen darlegen, warum eine Stundung erforderlich ist. Es soll aber keine strengen Anforderungen an die Stundungsvoraussetzungen geben. Die Finanzämter sollen nur in Ausnahmefällen zusätzliche Angaben und weitergehende Ausführungen einfordern. Die Stundungsanträge sollen ab sofort und bis Ende des Jahres unbürokratisch und großzügig bearbeitet werden.