Ein aktueller Fall ist mir Anlass, auf das Thema Mangel einer Kaufsache im B2C-Bereich einzugehen.
Ganz wichtiger Einstieg im international geprägten Yacht-Kauf ist zunächst die Feststellung des für den Einzelfall geltenden Rechts. Hier zeigen sich je nach Jurisdiktion erhebliche Unterschiede.
Gehen wir – so der Praxisfall – einmal von deutschem Recht aus.
Die Abnahme des Kaufgegenstandes – hier Boot – sagt nicht mehr aus, als dass der Käufer mit der Übergabe / Lieferung der Sache den Kaufvertrag als erfüllt ansieht und ein Gefahrübergang erfolgt. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die Sache sich nach der Übergabe als mangelfrei erweist oder der Verkäufer davon ausgehen darf, dass der Käufer sich Sache als „mangelfrei“ akzeptiert hat. Daran ändert auch eine Übergabe-Inspektion order Probefahrt nichts. Immer können sich hernach Mängel auftun oder versteckte Mängel zeigen, die rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Dadurch kann es zu einem Anspruch auf „Nacherfüllung“ kommen, wenn sich der Kaufgegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Gefahrübergang als mangelhaft erweist. Auf ein Verschulden des Verkäufers kommt es nicht an.Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ergibt sich aus der Tatsache, dass er gem. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur mangelfreien Verschaffung des Kaufgegenstandes verpflichtet ist. Der Nach-Erfüllungsanspruch ist damit eine Modifikation des vertraglichen Primäranspruches auf Lieferung einer mangelfreien Sache. gem. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB einzuordnen.
„Ich habe ein Recht auf Nachbesserung“, meint der Verkäufer. Antwort: Nein!
- Der Verkäufer muss die Art der Mängelbeseitigung in der Nacherfüllungsphase grundsätzlich der Auswahlentscheidung des Käufers überlassen: Es besteht ein Wahlrecht des Käufers zwischen Nacherfüllung in Gestalt der Nachbesserung oder Nachlieferung, § 439 I 1. und 2. Fall BGB.
- Dafür ist der Verkäufer durch ein zusätzliches Leistungsverweigerungsrecht aus § 439 Abs. 4 und
- durch die kürzere Verjährung nach § 438 geschützt.
- Sobald der Anspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 entsteht, ist der ursprüngliche Primäranspruch gem. § 433 Abs. 1 S. 2 durch Umwandlung in den Nach-Erfüllungsanspruch erloschen.
Ein Mangel ist die negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit. Diese kann ein Sach- oder Rechtsmangel sein, z.B.
- Abweichung von ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung
- Abweichung/Ungeeignetheit in Bezug auf die vertraglich vorausgesetzte Verwendung
- Montagefehler
- Aliud-Lieferung,
- Zuwenig-Lieferung
- Rechtsmangel
Im Verbraucherrecht besteht in den ersten 6 Monaten ab Übergabe/Lieferung eine Beweislastumkehr dahingehend, dass ein Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang vermutet wird.
Der Verkäufer ist hier nur geschützt, wenn das Nacherfüllungsverlangen in der geltend gemachten Form umverhältnismäßig ist:
- Absolute Unverhältnismäßigkeit: Vergleich der Kosten für die Nacherfüllung mit dem Wert der mangelfreien Sache
- Beim schuldlosen Verkäufer: ab 100 % Überschreitung
- Bei Verschulden des Verkäufers: ab 130 % Überschreitung
- Relative Unverhältnismäßigkeit: Vergleich der Kosten für die Nachbesserung mit den Kosten für die Nachlieferung. Ab ca. 10 % Überschreitung
Rechtsfolgen der Nacherfüllung
- Verkäufer hat die durch die Nacherfüllung entstehenden Mehraufwendungen zu tragen
- Bei Nachlieferung hat der Käufer die mangelhafte Sache zurückzugewähren,
- Beim Verbrauchsgüterkauf wird dabei keine Nutzungsherausgabe geschuldet
Ist eine Ersatzlieferung die angemessene Art der Nacherfüllung, ist einem Verbraucher nur ein einziger Versuch zumutbar. Doch auch bei einer Reparatur stehen dem Verkäufer nicht unbegrenzt Versuche zu. Das Gesetz sieht vor, dass ein Käufer die Nachbesserung in der Regel höchstens zweimal dulden müssen. In der Praxis kommt es auf den Einzelfall an.
Die Kosten jeder Nacherfüllung, ob Reparatur oder Ersatzlieferung, trägt allein der Verkäufer.
SUBSIDIÄR (nicht immer) ist über einen „Störung der Geschäftsgrundlage“ nachzudenken, wenn die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem anderen Teil erkennbar gewordenen und nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, die so selbstverständlich sind, dass sie nicht ausdrücklich Gegenstand der Vereinbarung geworden sind.
Die Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage sind:
- Es muss für die Vertragsstörung eine Regelungslücke bestehen (Subsidiarität).
- Bestimmte Umstände sind bei Vertragsabschluss zur Geschäftsgrundlage geworden.
- Diese Umstände haben sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert oder haben sich als falsch herausgestellt.
- Die Vertragsparteien hätten den Vertrag bei Vorhersehbarkeit dieser Änderungen nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen.
- Das Festhalten am Vertrag kann der benachteiligten Partei unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht zugemutet werden.
BGHZ 191, 139
a) Der Anspruch der durch eine Störung der Geschäftsgrundlage benachteiligten Partei auf Vertragsanpassung verpflichtet die andere Partei, an der Anpassung mitzuwirken. Wird die Mitwirkung verweigert, kann die benachteiligte Partei auf Zustimmung zu der als angemessen erachteten Anpassung oder unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus dieser Anpassung ergibt.
b) Die Verletzung der Verpflichtung, an der Anpassung des Vertrages mitzuwirken, kann Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen. Zu einem Rücktritt vom Vertrag berechtigt sie die benachteiligte Partei nur unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 3 BGB.