Wir entwickeln für Yachteigner Holding- und Betriebs-Strukturen bei denen jüngst die Frage aufkam, ob es Sinn mache, eine in Deutschland ansässige Investment GmbH als Mutter einer Betriebsgesellschaft einer Charter-Yacht in der EU zu nutzen, um damit steuerliche Vorteile zu heben und Mehrfachbesteuerungen zu vermeiden.
Aufgrund der Komplexität des Falles möchte ich hier nur die Kernfrage des Schachtelprivilegs einmal erläutern. Ob sich das Konstrukt letztlich rechnet hängt von vielen Fragen vor allem des Quelllandes ab: Gibt es dort noch eine Quellensteuer auf Dividenden, eine Gewerbesteuer, wie hoch ist die Unternehmenssteuer?
Das steuerliche Schachtelprivileg zielt darauf ab, Kaskadeneffekte bei der Besteuerung von Dividenden zu vermeiden, indem diese unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt oder vollständig freigestellt werden. Es ist besonders relevant im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer, der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer.
Gesetzliche Grundlagen:
Gewerbesteuergesetz (GewStG):
- § 9 Nr. 2a GewStG:
- Regelung: Inlandsdividenden sind ab einer Beteiligung von 15% steuerfrei.
- Voraussetzungen: Die Beteiligung muss zu Beginn des Erhebungszeitraums bestehen.
- § 9 Nr. 7 GewStG:
- Regelung: Dividenden aus Drittstaaten sind steuerfrei ab einer Beteiligung von 15%, unter zusätzlichen Bedingungen.
- Zusätzliche Bedingungen: Es müssen aktive Tätigkeiten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG vorliegen und für das Enkelprivileg muss die Drittstaatengesellschaft als Funktions- oder Landesholding fungieren.
Mutter-Tochter-Richtlinie (2011/96/EU):
- Ziel: Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der EU.
- Regelung: Steuerbefreiung für Dividenden bei einer Mindestbeteiligung von 10% zwischen verbundenen EU-Gesellschaften.
Rechtsprechung:
EuGH-Urteil vom 20. September 2018, Rs. C-685/16 (EV vs. Finanzamt Lippstadt):
- Sachverhalt:
- Eine deutsche GmbH erhielt Dividenden von einer australischen Ltd. (100%-Beteiligung), welche wiederum Dividenden von einer philippinischen Inc. (100%-Beteiligung) erhielt.
- Die GmbH beantragte die gewerbesteuerliche Kürzung, welche das Finanzamt aufgrund der Nicht-Erfüllung der Bedingungen des § 9 Nr. 7 GewStG verweigerte.
- Entscheidung:
- Kapitalverkehrsfreiheit: Die strengeren Anforderungen des § 9 Nr. 7 GewStG für Drittstaatendividenden verstoßen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit der EU.
- Begründung: Die Beteiligungsschwelle von 15% stellt keinen sicheren Einfluss sicher und unterliegt daher der Kapitalverkehrsfreiheit und nicht der Niederlassungsfreiheit.
- Ungleichbehandlung: Die Ungleichbehandlung von Drittstaatendividenden im Vergleich zu Inlands- und EU-Dividenden ist nicht gerechtfertigt. Auch die Stand-Still-Klausel konnte diese Regelung nicht rechtfertigen, da die Vorschrift seit 31.12.1993 nicht unverändert bestand.
Praxisfolgen:
- Unionsrechtskonforme Auslegung:
- § 9 Nr. 7 GewStG muss unionsrechtskonform ausgelegt werden, was bedeutet, dass Drittstaatendividenden denselben Bedingungen wie Inlands- und EU-Dividenden unterliegen müssen.
- Beteiligungsschwelle:
- Es bleibt ungeklärt, ob für Drittstaatendividenden die 10%- oder 15%-Beteiligungsschwelle gilt. Eine diskriminierungsfreie Auslegung würde eine einheitliche Schwelle bevorzugen.
- Keine zusätzlichen Bedingungen:
- Die zusätzlichen Aktivitätsanforderungen und das Enkelprivileg sind für Drittstaatendividenden nicht mehr anwendbar.
Weitere relevante Rechtsprechung und Entwicklungen:
- BFH-Rechtsprechung:
- Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in verschiedenen Urteilen die Anwendung des Schachtelprivilegs im Kontext von EU- und Drittstaatendividenden präzisiert und dabei häufig auf die Einhaltung der Kapitalverkehrsfreiheit hingewiesen.
- BEPS-Umsetzungsgesetz:
- Dieses Gesetz beeinflusst die Besteuerung von Einkünften aus passiven Betriebsstätten und die Hinzurechnungsbesteuerung. Es bringt Veränderungen in der Behandlung von Einkünften, die in Drittstaaten erwirtschaftet werden.
Ausblick und offene Fragen:
- Klärung der Beteiligungsschwelle:
- Es wird erwartet, dass der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung eine klare Regelung zur Beteiligungsschwelle für Drittstaatendividenden trifft, um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.
- Gleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten:
- Der EuGH hat betont, dass Investitionen in Tochtergesellschaften und Betriebsstätten nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, was auch Auswirkungen auf zukünftige Gesetzesänderungen haben könnte.
- Hinzurechnungsbesteuerung und Substanznachweis:
- Der Substanznachweis muss auch für Betriebsstätten möglich sein, was Auswirkungen auf die Anwendung des § 7 Satz 9 GewStG und die Einkommens- bzw. Körperschaftsteuer haben könnte.
Fazit:
Das steuerliche Schachtelprivileg ist ein komplexes und dynamisches Rechtsgebiet, das stark von der EU-Rechtsprechung beeinflusst wird. Die aktuelle Rechtslage erfordert eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 9 Nr. 7 GewStG, die Drittstaatendividenden keine strengeren Bedingungen auferlegt als Inlands- und EU-Dividenden. Zukünftige Entwicklungen werden die genaue Beteiligungsschwelle und die Behandlung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten weiter präzisieren.