Seeleute verrichten ihre Dienste fernab der Heimat und auf engem Raum. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen bedürfen daher besonderen Schutzes. Die „Maritime Labour Convention, 2006“ (MLC) führte Mindeststandards für die Arbeits- und Lebensbedingungen auf Handelsschiffen ein.
I.
Das MLC Seearbeitsübereinkommen gilt für Schiffe, die üblicherweise im Handel eingesetzt werden (kommerzielle Yachten) und unter der Flagge eines Landes fahren, das das Seearbeitsübereinkommen ratifiziert hat, oder wenn das Schiff in den Gewässern eines Landes fährt, das das Seearbeitsübereinkommen ratifiziert hat.
Das Übereinkommen gilt generell nicht für:
- Schiffe, die ausschließlich in Binnengewässern oder Gewässern innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von geschützten Gewässern oder Gebieten, in denen Hafenvorschriften gelten, verkehren;
- Schiffe, die in der Fischerei eingesetzt werden;
- Schiffe traditioneller Bauart wie Dhows und Dschunken;
- Kriegsschiffe oder Flottenhilfsschiffe.
- Vergnügungsschiffe unterliegen nicht dem Seerechtsübereinkommen, es sei denn, sie entscheiden sich für die freiwillige Einhaltung des Übereinkommens.
Jedes Land, das das Seearbeitsübereinkommen ratifiziert hat, muss sicherstellen, dass seine Rechtsvorschriften die im Text des Seearbeitsübereinkommens festgelegten Mindestanforderungen erfüllen oder übertreffen. Die Schifffahrtsverwaltung jedes ratifizierenden Landes erstellt in der Regel klare Leitlinien und Vorschriften für Arbeitgeber und Seeleute, damit diese ihre Rechte im Rahmen des Seearbeitsübereinkommens und der Gesetzgebung des Flaggenstaats verstehen.
In einer MLC-konformen Beschäftigungsvereinbarung für Seeleute („SEA“) werden die häufigsten Rechte von Seeleuten und Arbeitgebern aufgeführt.
Folgende Schwerpunkte sind zum MLC sind zu beachten:
- Das Mindestalter für die Beschäftigung von Seeleuten an Bord beträgt 16 Jahre, aber die Arbeitgeber bestehen oft auf 18 Jahren als Mindestalter.
- Die Seeleute müssen ein gültiges ärztliches Tauglichkeitszeugnis besitzen, bevor sie die Yacht betreten.
- Alle Seeleute müssen eine vollständig unterzeichnete Kopie ihres Arbeitsvertrags für Seeleute erhalten.
- Arbeitsvermittlungsagenturen und/oder Beschäftigungsunternehmen dürfen bei der Vermittlung oder Beschäftigung von Seeleuten keine Gebühren erheben.
- Gehälter und Lohnabrechnungen müssen monatlich eingehen, und die Löhne können auf mehr als ein Bankkonto überwiesen werden (es können angemessene Bankgebühren anfallen).
- Seeleute müssen eine Mindestruhezeit von 10 Stunden innerhalb von 24 Stunden und 77 Stunden innerhalb von 7 Tagen erhalten.
- Nahrung und Trinkwasser müssen den Seeleuten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
- Medizinische und notwendige zahnärztliche Versorgung muss den Seeleuten kostenlos zur Verfügung gestellt werden, vorbehaltlich der Bestimmungen und Bedingungen ihres SEA.
- Die Rückführung von Seeleuten muss vorbehaltlich der Bestimmungen und Bedingungen ihres SEA kostenlos erfolgen.
- Seeleute müssen eine finanzielle Entschädigung für Krankheit, Verletzung oder Tod im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung oder für Arbeitslosigkeit aufgrund des Verlusts des Schiffes erhalten, vorbehaltlich der in ihrer SEA festgelegten Bedingungen und der Höchstgrenzen der Versicherungspolice des Schiffes.
Die Bundesrepublik Deutschland z.B. hat das MLC ratifiziert und seinen Anwendungsbereich recht weit gesteckt.
Das Seearbeitsgesetz gilt danach auf allen Kauffahrteischiffen (Schiffe), die nach dem Flaggenrechtsgesetz die Bundesflagge führen. Kauffahrteischiffe in diesem Sinne sind gewerblich betriebene Seeschiffe, deren Eigentümer entweder Deutsche oder Staatsangehörige eines EG-Mitgliedstaates sind[vgl. § 1 Abs.1 SeeArbG; §§ 1,2 FlaggRG].
Von der Anwendung ausgenommen sind gewerbsmäßig genutzte Sportboote unter 24 Meter Länge, wenn auf ihnen nicht mehr als zwei Personen beschäftigt sind sowie Traditionsschiffe und Schiffe, die die Wasserstraßen der Zone 1 und 2 nach dem Anhang I der Binnenschiffsuntersuchungsordnung (BinSchUO) seewärts nicht verlassen.
Seeleute sind alle Personen, die an Bord des Schiffes tätig sind, unabhängig davon, ob sie vom Reeder oder einer anderen Person beschäftigt werden oder als Selbständige tätig sind, einschließlich der zu ihrer Berufsbildung beschäftigten Besatzungsmitglieder. [vgl. § 3 Abs.1 SeeArbG].
II.
Auch wenn die Anwendung des MLC in der kommerziellen Schifffahrt mit Ausnahmen obligatorisch ist, sind durch eine geschickte Rechtswahl für die Arbeitsverträge der Seeleute vorteilhafte rechtliche Rahmenbedingungen möglich.
Nach Art 3 ROM I können Arbeitsvertragsparteien für ihre Rechtsbeziehung eine Rechtswahl treffen und darüber hinaus nach EuGVVO auch den Gerichtsstand festlegen.
Vereinbaren die Parteien für den Vertrag keine Rechtswahl, so gilt:
1. Flaggenstaatsprinzip
Die Yacht unterliegt grundsätzlich der flaggenstaatlichen Jurisdiktion ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Schiffseigners, der Besatzung oder der Passagiere unterliegen. Das Flaggenstaatsprinzip bestimmt zunächst, welches nationale Recht an Bord eines Schiffes gilt. Das gilt auch für das Strafrecht an Bord. Des weiteren bestimmt das Flaggenstaatsprinzip, welcher Staat (nämlich der Flaggenstaat) auf Hoher See (also in internationalen Gewässern) Zwangsmaßnahmen gegen dieses Schiff ergreifen darf.
2. Territorialprinzip
Anderes gilt in inneren Gewässern (Hoheitsgewässern) eines Küstenstaates, denn die inneren Gewässer einschließlich des Küstenmeeres gehören zum Staatsgebiet und dort gilt die Territorialhoheit des jeweiligen Küsten- bzw. Hafenstaates. Alle fremden Boote und Schiffe in den inneren Gewässern unterliegen somit sowohl der Hoheitsgewalt des Küstenstaates als auch der durch die Souveränität des Küstenstaates eingeschränkten Hoheitsgewalt des Flaggenstaates. Dem Flaggenstaatsprinzip von Schiffen in ausländischen Häfen steht damit das Territorialprinzip des Hafenstaates gegenüber.
Ausnahmen von diesem Territorialprinzip gelten an Bord, z.B. für das Personal. Das Disziplinar-, Dienst- und Arbeitsrecht unterliegt dem des Flaggenstaates – und nicht das des jeweiligen Küstenstaates. Dies erscheint auch sinnvoll, wenn etwa auf einer Reise nacheinander Häfen in unterschiedlichen Staaten angelaufen werden.
3. Gewöhnlicher Arbeitsort
Gem. Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO ist grundsätzlich das Recht am gewöhnlichen Arbeitsort des Arbeitnehmers anzuwenden, was dann in Erwägung zu ziehen ist, wenn eine Yacht unter einer bestimmten Flagge aber ständig oder überwiegend einen Liegeplatz in einem anderen Land hat und der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers und damit der Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit dort liegt. Der Arbeitsort ist also trotz Flagge und bspw. regelmäßiger Auslandsaufenthalte der Ort an dem der Arbeitnehmer immer wieder zur Arbeitsentrichtung zurückkehrt, also z.B. die home-base einer Yacht. Lässt sich nämlich der tatsächliche Mittelpunkt der Berufstätigkeit aufgrund der Natur der Tätigkeit nicht eindeutig feststellen, bspw. bei ständig wechselnden Einsatzorten, so ist gem. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 Rom I-VO das Recht am Ort der Einsatzbasis anzuwenden, also bei einer Yacht z.B. des üblichen Basis-Liegeplatzes. Damit ist die Rechtsordnung des Staats gemeint, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich verrichtet.
Der gewöhnliche Arbeitsort wechselt nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet, auch wenn dieser für den betreffenden Zeitraum den Mittelpunkt seiner Arbeitstätigkeit darstellt. Vorrübergehend ist eine Tätigkeit dann, wenn vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er seine Arbeit nach Beendigung seines Auslandsaufenthalts wieder in den Staat verlagert in dem er bisher seinen gewöhnlichen Arbeitsort bzw. seine Einsatzbasis hatte. Vorrübergehend ist eine Tätigkeit also nur, wenn sie nicht endgültig ist, bspw. im Falle einer Versetzung.
III.
Mit der Rechtwahl verbunden werden kann auch die Frage, ob neben dem staatlichen Gericht ein Schiedsverfahren möglich wäre. Das jeweilig geltende oder rechtsgültig vereinbarte Recht gibt hierzu Auskunft.
Beispiel Deutschland
Gilt deutsches Recht, kann in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ausnahmsweise die Durchführung eines Schiedsverfahrens durch den Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit im Allgemeinen oder für den Einzelfall von den Parteien eines Tarifvertrages vereinbart werden (Schiedsvertrag). Im Übrigen sind Schiedsverträge in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten grundsätzlich unzulässig. Nach § 4 ArbGG kann die Arbeitsgerichtsbarkeit in bestimmten, abschließend aufgezählten Fällen ausgeschlossen werden; eine Klage vor dem Arbeitsgericht ist dann unzulässig. Es entscheidet dann ein Schiedsgericht nach § 102 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 101 ArbGG in folgenden Fällen: Bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, wenn der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages überwiegend … Kapitäne und Besatzungsmitglieder i. S. von § 2, § 3 SeemG umfasst, wobei diese Vereinbarung nur für tarifgebundene Personen gilt, und es eine tarifliche Schiedsvertragsregelung gibt (Einzelschiedsvereinbarung).
Beispiel Schweiz
Das Schweizer Recht kennt keine solche generelle Begrenzung und eröffnet den Weg zum Schiedsgericht in internationalen Fällen.
Dennoch gilt: „Trotz des hohen Grads an Parteiautonomie in einem Schiedsverfahren kann nicht jede Streitigkeit einem Schiedsgericht zur Beurteilung unterbreitet werden. Vielmehr wird die Schiedsfähigkeit gewisser Ansprüche durch den Gesetzgeber eingeschränkt, um die Streiterledigung gewisser Rechtsgebiete der staatlichen Gerichtsbarkeit vorzubehalten. Nicht selten erfolgen diese Einschränkungen zum Schutz der schwächeren Vertragspartei. Vor diesem Hintergrund erstaunt es umso mehr, dass der Gesetzgeber bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auf eine ausdrückliche Regelung verzichtet hat. Das anwendbare Recht auf die Frage der Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit muss nach überwiegender Ansicht der Lehre anhand der lex causae ermittelt werden. Damit bestimmt das auf die Streitsache anwendbare materielle Recht die Frage, welche Ansprüche disponibel und damit schiedsfähig sind„, so Angela Casey, ‚Individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten im Schiedsverfahren‘, ASA Bulletin, Kluwer Law International 2017, Volume 35 Issue 2) pp. 266 – 280
RAT:
Über Rechtwahl und Gerichtsstand bei Crew-Arbeitsverträgen sollte intensiv nachgedacht und abgewogen werden. Manche schnelle Wahl ist nämlich nur im „Frieden“ günstig und im Falle der Prozesses ein Albtraum (z.B. Malta). Es lohnt sich also eine bewusste Regelung zu treffen, um den vorgestellten Konstellationen und vor allem Unsicherheiten nicht ausgeliefert zu sein. Im Zweifel gilt dann meist das Flaggenrecht, aber die aus bestimmten Gründen gewählte Flagge kann im Crew-Arbeitsrechtsstreit höchst ungünstig sein.