Der Chartervertrag der Mediterranean Yacht Brokers Association (MYBA) gilt als internationaler Branchenstandard im Bereich der gewerblichen Yachtvercharterung. Die zuletzt überarbeitete Fassung (2025) enthält eine Vielzahl von Regelungen zur Rechtswahl, Vertraulichkeit, Sanktionen und Vertragsbindung Dritter.
Im folgenden Beitrag wird analysiert, inwiefern diese Bestimmungen rechtlich wirksam sind, wenn der Charterer eine Privatperson und damit Verbraucher im Sinne des europäischen Rechts ist. Grundlage sind insbesondere die ROM-I-Verordnung (EG) Nr. 593/2008 und die Brüssel Ia-VO (EU) Nr. 1215/2012.
Internationale Rechtswahl und Verbraucherschutz (Art. 6 ROM I)
Gemäß Art. 6 ROM-I-VO darf die Wahl eines ausländischen Rechts bei Verbraucherverträgen nicht dazu führen, dass der Verbraucher den Schutz verliert, den ihm das zwingende Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltsstaats gewährt¹.
Der MYBA-Vertrag wählt regelmäßig englisches Recht als anwendbares Recht (Clause 23)². Wird der Vertrag mit einer Privatperson abgeschlossen, die ausschließlich zu privaten Zwecken chartert, so kann sich diese Person trotz englischer Rechtswahl auf zwingende Vorschriften des Heimatrechts berufen³.
Unwirksamkeit der ausschließlichen Schiedsklausel bei Verbrauchern
Die Vereinbarung einer ausschließlichen Zuständigkeit des London Maritime Arbitrators Association (LMAA) verstößt gegen Art. 18 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. Diese Vorschrift gewährt Verbrauchern das Recht, Klage am eigenen Wohnsitzgericht zu erheben?.
Daher ist eine solche Schiedsklausel gegenüber Verbrauchern grundsätzlich nicht bindend, es sei denn, sie wird nach Entstehung der Streitigkeit einvernehmlich vereinbart?.
Problematische Drittbindung durch die Vertraulichkeitsklausel (Clause 28)
Die Vertraulichkeitsklausel verpflichtet auch Dritte, wie Anwälte, Crew oder Banker zur Verschwiegenheit. Eine derartige Klausel stellt einen rechtlichen Übergriff auf nicht eingebundene Personen dar und ist zivilrechtlich unwirksam, sofern keine gesonderte Einwilligung dieser Dritten vorliegt?.
Zudem ist die zeitlich unbegrenzte Wirkung der Vertraulichkeit unangemessen und kann im deutschen Recht gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen?. Ein genereller „Maulkorberlass“ ohne legitimes Interesse oder zeitliche Grenze ist gegenüber Verbrauchern regelmäßig nicht haltbar.
Sanktionsklauseln und KYC (Clauses 26 & 29)
Die Vertragsklauseln zur „Sanctioned Party“ erlauben die einseitige Vertragsauflösung bei Verstößen gegen internationale Sanktionen oder fehlender Offenlegungspflicht („KYC“)?. Die Definition ist jedoch sehr weit gefasst und bezieht sich nicht nur auf benannte Personen (z.?B. OFAC, EU-Listen), sondern auch auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder wirtschaftliche Beziehungen.
Eine solche Klausel kann daher bei unsachgemäßer Anwendung gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 21 EU-GRCh) verstoßen oder unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 BGB sein?.
Widerspruch zu Drittausschluss (Clause 31(c))
Die gleichzeitige Verwendung einer Vertraulichkeitsverpflichtung zugunsten Dritter (Clause 28) und eines ausdrücklichen Drittausschlusses (Clause 31(c)) ist inkonsistent. Entweder sind Dritte verpflichtet – dann benötigen sie auch Vertragseinbindung – oder sie sind explizit ausgeschlossen, dann besteht keine rechtliche Verpflichtung.
Ergebnis
Die Bestimmungen des MYBA 2025 sind für den kommerziellen Bereich durchdacht und praxisnah. Sobald jedoch ein Verbraucher Vertragspartner wird, greifen zwingende europäische Schutzvorschriften, insbesondere:
- Art. 6 ROM-I: Verbraucherrecht des Wohnsitzstaats ist vorrangig.
- Art. 18 Brüssel Ia: Ausschließliche Schiedsklauseln sind nicht bindend.
- §§ 305 ff. BGB: Vertraulichkeitsklauseln und Sanktionsregelungen müssen verhältnismäßig und bestimmt sein.
Override Klausel
Die vorgenannten Probleme werden gerne versucht mit einer “Override Klausel” auszuhebeln. Das funktioniert leider nicht, denn diese Klausel selbst unterliegt wieder der Nachprüfung und schützt bei Verbrauchern als Charterer nicht.
AGB-Kontrolle geht vor Parteivereinbarung
Nach § 307 BGB (bzw. Art. 3 RL 93/13/EWG) unterliegen alle vorformulierten Vertragsbedingungen, auch in international verwendeten Standardverträgen, der Transparenz- und Inhaltskontrolle, unabhängig von einer Override-Klausel.
Beispielhafte Klauseln, die regelmäßig kontrolliert werden:
- Haftungsbeschränkungen
- Vertraulichkeitspflichten
- Schiedsgerichtsvereinbarungen
- Sanktionsklauseln
- Vertragsstrafen
- Aufrechnungsverbote
Entscheidend ist:
Eine „Override-Klausel“ ändert nicht die inhaltliche Beurteilung der übrigen Klauseln. Sie ist kein Schutzschild gegen § 307 BGB oder nationale Verbraucherrechte.
Rechtsprechung: Override-Klauseln sind „nur kosmetisch“: Die deutsche und europäische Rechtsprechung sieht solche Klauseln regelmäßig nur als deklaratorische Hinweise, nicht als rechtswirksame Eingrenzung: „Eine Klausel, wonach nationale Schutzvorschriften unberührt bleiben, ersetzt nicht die konkrete AGB-Kontrolle und beseitigt keine unangemessene Benachteiligung.“ – BGH, Urteil vom 20.07.2017 – VII ZR 36/17, NJW 2017, 3719
Risikofolge für Verwender (z.B. den Eigner):
Wenn Eigner oder Broker einen MYBA-Vertrag mit einem Verbraucher ohne Anpassung verwenden, riskieren sie:
- Teilunwirksamkeit des gesamten Vertragswerks
- Nichtdurchsetzbarkeit wesentlicher Klauseln
- Rückforderungen ( z.B. Kautionen, APA)
- Abmahnungen durch Verbraucherschutzorganisationen
- Nötig sind materiell zulässige Vertragsklauseln – nicht nur formale Hinweise.
- Sinnvoll ist ein gesonderter Verbraucher-Anhang („Consumer Annex“), in dem:
- bestimmte MYBA-Klauseln abbedungen oder modifiziert werden
- rechtssichere Klauseln formuliert sind (z. B. zur Haftung, Vertraulichkeit, KYC)
Handlungsempfehlung für Eigner
- Anwendung des MYBA-Vertrags nur bei gewerblichen Charterern ohne Modifikation.
- Bei Verbrauchern sollte ein gesonderter „Consumer Rider“ verwendet werden.
Literaturhinweise
- Art. 6 ROM-I-VO, vgl. Looschelders in: Rn. 15 ff., Münchener Kommentar zur ROM I, 2. Aufl. 2015
- MYBA Charter Agreement 2025, Clause 23
- BGH, NJW 2012, 2723, zur Eingriffsgrenze der Rechtswahl bei Verbrauchern
- Art. 18, 19 Brüssel Ia-VO (EU) Nr. 1215/2012
- Vgl. EuGH, Rs. C-240/14 – Botschafter GmbH, zur Unzulässigkeit präventiver Schiedsklauseln
- OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 1165; BGH, NJW 2017, 3719
- § 307 Abs. 1 S. 1 BGB – AGB-Kontrolle, Verhältnismäßigkeit
- MYBA 2025, Clauses 26–29
- EuGH, Rs. C-83/14 – CHEZ Razpredelenie Bulgaria; Art. 21 EU-GRCh