Die Yachtindustrie gehört weitgehend zur Freizeit- und Tourismusbranche, vor allem im Bereich Charter. Ich habe mich entschieden, meine zusammen mit dem Fachbereichskollegium „Tourismuswirtschaft“ des MCI Innsbruck geplante Teilnahme an der ITB Berlin zu stornieren. Kurz danach erfahren wir, dass die gesamte ITB in Frage steht.
Anlass für erste Überlegungen zu den Auswirkungen auf die Yachtindustrie:
Generell zeigt die Corona-Krise erneut die Macht und Bedeutung unserer komplexen Systeme, die nicht linear, unplanbar und überraschend agieren und wir schlicht nicht in der Lage sind das in den Griff zu bekommen, was wir aber nach außen oft verkaufen wollen: Planbares Vollkasko!
Mehr als vom Virus ist unsere Gesellschaft von einem paranoid-panischen Zeitgeist befallen, der Stimmungslage bestimmt und alles Maß außen vor lässt. Mit der programmatischen Devise „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ wird das kommunikative Geschäftsmodell „Interesse an Unglücken“ weiter geschürt. Der Journalismus beweist wieder einmal den Glauben, dass die Investigation des Negativen alleine zum sozialen Fortschritt führe.
>> Lesen Sie dazu einmal: Wider den panischen Superlativ!
Ich forsche seit über 10 Jahren auf dem Gebiet der Komplexität und deren Messbar- und Steuerbarkeit und habe 2010 und 2014 in zweiter Auflage dazu meine Ergebnisse veröffentlicht. Wenn diese erneute Krise – es wird nicht die letzte sein – uns wiederum aufzeigt, wie verletzlich und eigenmächtig die globalen und hoch vernetzten Systeme die wir geschaffen haben und schaffen, agieren, hat sie etwas Gutes.
Die Nutzung und Charter von Yachten ist eine sehr individuelle Form der Freizeitgestaltung, meist abseits des Mainstream und des Massentourismus. Genau dies wird in Zeiten von Epidemie- und Pandemiegefahren von Vorteil sein, weshalb ich wirtschaftlich grundsätzlich weniger Stagnationsgefahren sehe als in anderen Branchen; dies natürlich unter der Voraussetzung, dass die dafür benötigte Infrastruktur intakt bleibt, um die entsprechenden Leistungs- und Wertschöpfungsketten aufrechterhalten zu können.
Gebuchte Yachtcharters oder – soweit einschlägig – Yacht-Charter-Pauschalreisen kann man natürlich immer absagen – die Veranstalter verlangen dann aber eine Entschädigung, die je nach Vertrag bis zu 100 Prozent des Preises beträgt. Die reine Angst und Sorge des Einzelnen ist kein Grund eine Reise auf Kosten des Anbieters stornieren zu können. Das wäre nur bei offiziellen Blockaden, Sperren oder Reisewarnungen ein Fall von „Force Majeure“ oder Nichtverschulden. Warnt nämlich eine Regierung vor der Reise in eine bestimmte Region, ordnet Sperren an, dann müssen die Reiseveranstalter bei einer Stornierung den Preis für gesamte Reise zurückerstatten. Allerdings nur für den Zeitraum, in dem die Warnung gilt. Individualreisenden werden dann Kosten erstattet, wenn entsprechende Reiseleistungen durch den Anbieter storniert werden.
Wer sich die Absage einer Charter aus persönlichen Erwägungen, Umbuchungen, Gebietsverlagerungen o.ä. also vorbehalten will, dem raten wir spezielle Klauseln in den Vertrag reinzuverhandeln bzw. eine spezielle Versicherung abzuschließen, die alle Parteien schützt. Wer trotz BREXIT immer noch auf MYBA Verträge nach englischem Recht mit Gerichtsstand England, setzt, muss diese ganz besonders überprüfen, vor allem die Jurisdiktion wechseln; im Standard-Text gibt es keine entsprechende Ausstiegsklausel und kein Konsumentenschutz.
Lesen Sie dazu auch: https://superyachtforum.eu/yachtrecht-international-der-brexit-grundlegende-veraenderung-der-yacht-industrie/
Was die Erstattungschance betrifft, werden die meisten Anbieter von touristischen Leistungen rund um Yachten sich auf Nichtverschulden bzw. höhere Gewalt berufen können, so dass jede Partei ohne Entschädigungsfolgen von ihren Leistungspflichten zumindest für die Dauer der Einschränkung frei werden. Soweit die Leistung nicht nachholbar ist, gilt dies generell.
So wird es auch bei Verzögerungen oder Ausfällen bei Kauf, Bau oder Refit einer Yacht sein. Ausfälle in der Liefer- und Wertschöpfungskette wird je nach geltendem Recht über das Nichtverschulden und -vertretenmüssen oder die „Force Majeure“ Klausel gelöst werden, so dass jede Partei das Risiko und die eigenen Kosten ohne Schadensersatzansprüche tragen wird. Die Saison kann also da und dort turbulent beginnen…
In welcher Form und Umfang die Yacht-Industrie wirtschaftliche Auswirkungen zu erleiden hat, wird in den nächsten Wochen zu konkretisieren sein und davon abhängen, inwieweit Leistungsträger von globalen Wertschöpfungsketten abhängig sind. Dazu kommt die Frage der Reisebeschränkung, die alle Stakeholder vom Eigner über die Crew bis zu allen Providern betrifft. Eine Yacht ist SICHER nicht systemrelevant.
Dazu werden Problemfelder kommen wie: Was passiert bei Infekt von Crew oder Passagieren auf einer Yacht? Welche Präventiv-Anforderungen werden Yachteigner und -betreiber treffen? Was in Marinas? Können diese abgeriegelt werden oder müssen sie, gerade in Notfällen, für Yachten offen bleiben? Welche Zugangsvoraussetzungen zu Hafen, Hafenorten und Marinas werden gesetzt werden?
Einige Beispiele möglicher Fall-Szenarien ohne Gewähr, denn jeder Einzelfall muss individuell vor dem Hintergrund des geltenden rechts geprüft und beurteilt werden. :
- Generell gilt: Kann ein Leistungsanbieter seine vereinbarte Leistung uneingeschränkt zur Verfügung stellen (könnte also z.B. ein gechartertes Boot problemlos genutzt werden) und haben Behörden keine der Nutzung entgegenstehende Sperre verhängt, so besteht kein außerordentliches Kündigungsrecht oder Fall der Leistungsunmöglichkeit ohne Verschulden, wo beide Parteien frei werden, Anzahlungen zurückzuzahlen sind, aber keinerlei Schadensersatzleistungen oder Stornokosten anfallen.
- Bau- oder Refit-Fertigstellung oder Auslieferung gekaufter Yacht verzögert sich aufgrund von Zulieferausfällen, Erkrankungen von Personal etc: Klare Fälle von Force Majeure, kein Verschulden, kein „Breach of Contract“, weshalb weder Rücktritte, noch Schadensersatzpflichten oder Vertragsstrafen die Folge sind. Die synallagmatischen Leistungspflichten werden suspendiert. Wird die Leistung dauerhaft unmöglich ist zu prüfen, wie eine Rückabwicklung aussieht. Pech wahrscheinlich für den Eigner, der keine Performance-Bankbürgschaft vereinbart hat.
- Ich habe einen Kredit aufgenommen, um Leistungen unter 2. zu finanzieren: Wenn nicht speziell mit Bedingungen verknüpft, was selten der Fall sein wird, ist der Kredit mit allen Rechten und Pflichten unabhängig; keine Suspension oder Ausstieg, der Kredit ist zugeteilt und vereinbart – also zu erfüllen.
- Ich habe einen Liegeplatz gemietet, die Yacht kommt aber nicht: Wie Fall Ziff 3, das ist Risiko des Eigners. Der LP per se ist ja geleistet und nutzbar.
- Meine Yacht liegt z.B. in Italien und die Marina wurde wegen CoViD-19 Fällen unter Quarantäne gestellt: Kosten laufen weiter inkl. Lohnfortzahlung für Crew, auch wenn die Yacht nicht genutzt werden kann.
- Meine Crew fällt durch Infektion aus: Lohnfortzahlung bis zur Übernahme durch die Krankenversicherung; Unterschiede je nach geltender Rechtsordnung – genau prüfen. Keine Kündigung wegen Krankheit, Arbeitsplatz bleibt.
- Meine Yacht wurde wegen CoViD-19 Fällen an Bord unter Quarantäne gestellt: Behörde kann dies nach den geltenden Gesetzen in der EU jederzeit anordnen. Kein Schadensersatz. Kosten laufen weiter. Ggf. Versicherungsfrage.
- Yacht ist verchartert, kann aber wegen Quarantäne nicht zur Verfügung gestellt werden: Fall wie Ziff. 2
China ist die (verlängerte) Werkbank der Welt. Viele Produkte oder Vorprodukte werden dort hergestellt – fallen sie aus, trifft das auch die Industrien Europas. Viele Werften sind dazu in Italien angesiedelt.
Interessante Charts (Quelle WELT online 27.02.2020)
Wir haben über Jahrzehnte die Chinesen als Werkbank stark gemacht, Know how transferiert. Heute kaufen Sie sich mit dem verdienten Geld aggressiv in unsere Schlüsselindustrien und Assets ein und ziehen damit noch mehr Know how ab. Unsere Abhängigkeit wie auch die Gefahren der Globalisierung werden in der aktuellen Corona-Krise deutlich.
Folge und Lehre aus der Corona-Krise wäre, vermehrt wieder in Europa zu produzieren. Doch hier sind die Herstellungskosten weit höher als beispielsweise in China. Wir haben so viel ausgelagert, dass wir Kernkompetenzen für die Rückholung mancher Wertschöfungsstufen verloren, vor allem keine Fachkräfte und Ressourcen dafür haben, so dass auch die Produkte dadurch deutlich teurer würden.
Den medizinischen Teil der Krise werden wir überleben, wie die Menschheit alle Pandemien bisher überlebt und dadurch gestärkt und nicht geschwächt hervorging. Trotz vieler Risiken und (noch) unbekannten Verlaufsmustern des Coronavirus finden sich in der Gesamtschau wenig Gründe, wieso es dieses Mal anders sein sollte. Panik ist auch hier ein schlechter Begleiter.
Ich befürchte, dass am Ende die makroökonomischen Auswirkungen und Erkenntnisse auf die Neuordnung globalen Wertschöpfungsketten bedeutsamer sein werden, als CoViD-19 selbst.
Entscheidend wird sein, was wir daraus lernen und welche Konsequenzen wir tatsächlich ziehen. Und vor allem: Leisten Sie Widerstand, indem Sie Ruhe und einen eigenen und klaren Kopf bewahren.