Ich war über den August in Kroatien, vorwiegend Mitteldalmatien mit den großen Inseln.
Wir haben erfolgreich einige Yacht-Closings absolviert, eine Reihe neuer Projekte auf den Weg gebracht, viel Research betrieben und erkenntnisreiche Gespräche geführt.
Hier einige Erkenntnisse:
Das Land hatte auch unter den Auswirkungen der Pandemie zu leiden und die Touristenzahlen gingen zurück. Doch konnte Kroatien durch seine Bemühungen zur Wiederbelebung des Tourismussektors und die Bereitstellung sicherer Reisemöglichkeiten dazu beitragen, die Auswirkungen auf die Wirtschaft abzumildern und Arbeitsplätze zu erhalten. Wichtiger Faktor war die gute und individuelle Erreichbarkeit mit dem Auto. In dem Jahren 2020 bis 2022 haben viele Menschen gerade deshalb Kroatien erstmals besucht. 2022 war dann ein starkes Jahr, das nur wenig hinter 2019 zurückblieb.
Dies hat vor allem an der Küste Dalmatiens zu einem Boost geführt, der sich 2023 durch Schengen und den Euro nochmals massiv verstärkt hat. Der Himmel ist offen, reich werden über Nacht – das angesagte Motto.
Die Folge: Preise massiv hoch, Qualität und Leistungen runter. Erkennbares Ziel: Gewinnmaximierung. 20-30% Preissteigerung im Meridian zu 2022. Bei vielen Dienstleistungen auch 100% +. Ich habe mich einige Wochen im Land umgesehen. Das ist so. Alles andere ist Beschönigung.
Das Päckchen Butter im kroatischen Lidl 4,80 € (der Warenkorb dort 20-30% teurer als in D), die Kugel Eis 3,- € +, der Cappucino auf der Riva in Split auch mal 13,- €. Traditionelle Fleisch-Speisen in der Konoba 16,- bis 35,- € ohne Beilagen, Fisch schnell 60,- € +. Das passt nicht zu Kroatien und seiner Positionierung.
Ein wunderschönes Land, das viel zu bieten hat, aber man muss nicht überschnappen und glauben, allen europäischen Topdestinationen preislich gleichziehen zu dürfen oder diese zu überbieten. Der Gast ist eben nicht unendlich preiselastisch!
Inflation, Kostensteigerungen im Einkauf, EURO, alles schön und gut. Wird das Warum der Preise und deren Kalkulation hinterfragt, kommt ein überfordertes Lächeln: „Das machen alle hier so und das ist doch angemessen für unser schönes Land“.
Der Cappucino, der auf einer Fährüberfahrt 2022 noch ca. 14 KUNA kostete (keine 2,- €), wurde nun mit 5,- € berechnet. Begründung bei Rückfrage: „Wir haben ein so schönes Land. Das muss bezahlt werden und das sind nun Airport-Preise“. Versuche, was geht, nimm was Du kriegen kannst. Da verschlägt es einem die Sprache.
Interessant: Die Standardfrage 2023 in der Gastronomie beim Bezahlen: „Cash or Card“. Bei „Cash“ kommen in 80% der Fälle solche „Rechnungen“, bei den jeder sich seinen eigenen Reim darauf machen kann. Dies war in all den Jahren vor 2023 nicht in der Vielzahl der Fall.
Leider haben aber auch viele solvente Yacht-Besatzungen diese Entwicklung gefördert.
Ein Gastronom auf Mjet – wir kennen uns seit 1999 – hat mir bei einem Besuch mit der verwunderten Frage, warum er den Preis seines guten Hausweins, der vor Jahren bei 50,- bis 70,- KUNA den Liter lag, sukzessive über 200,- bis 300,- KUNA anhob und aktuell absurde 45,- € verlangt, gestanden: „Christoph, schau da raus in die Bucht, was siehst Du dort? Richtig, drei Superyachten über 30 m. Die Gäste kommen abends mit dem Tender zu mir. Verlange ich für meinen guten Hauswein 100 KUNA, rühren sie ihn nicht an, verlange ich 500 KUNA, bestellen sie ihn. Irre, ja, aber die wollen es nicht anders.“
Im In-Ort BOL gibt es eine bekanntes Weingut, dessen historisches Firmengebäude bei Einfahrt auf Bol gut sichtbar ist. Die Kellerei Bol wurde im Jahre 1903 für die Bedürfnisse der Mitglieder der Ersten dalmatinischen Weingenossenschaft erbaut. Die erste goldene Medaille erhielt die Kellerei für ihren Wein im Jahre 1909 in Paris bei der Internationalen Weinausstellung. Die wirklich guten Weine liegen bei 8,- bis 40,- €. Ein Mitarbeiter erzählte mir, dass in der Hochsaison Yacht-Gäste und Crews dort regelrecht einfallen und Weine einkaufen. Dabei werden Preise für den Wein bis zum 3-4 fachen des Normalpreises bezahlt.
Angebot und Nachfrage – das ist Markt.
Und leider gibt es nicht zielgruppen-variable Preise, denn auch der Familienvater legt dann für seine durstigen Kinder 8,- € für eine Cola oder eine „Pipi“-Limo hin. Das Familienbudget ist schnell verbraucht.
Womit wir noch einen Blick auf das Thema Korruption und Netzwerke werfen müssen.
Die Mär vom geringen Durchschnitts-Nettoeinkommen der Kroaten mag der offiziellen Statistik entsprechen, der Praxis entspricht sie auf breiter Front nicht. Gerade Gewerbetreibende haben ein gutes Zubrot und leisten sich damit einen gehobenen Lebensstandard. Sie wissen, wie das Spiel geht und haben in den letzten Jahren schnell dazu gelernt.
EU Beitritt 2013 und der sichtbare Abschied der Boomer-Generation aus dem aktiven Geschäft haben im Kern nichts verändert: Nach wie vor geht in Kroatien nichts, wenn man nicht die Unterstützung der „konspirativen Kreise“ hat. Die – nun verjüngten – kroatischen Männerrunden (!) in den Cafes und Restaurants sprechen Bände. Dort wird besprochen, welches Geschäft zu welchen Preisen gerade interessant ist, wer wen wie unterstützt und wer was von welchem Kuchen abbekommt und was zu tun ist, um möglichst hohe Profite zu generieren.
Das große Geschäft an der Küste ist gerade z.B. die Vermietung von sinnfreien Quads, die dann von völlig unbedarften Urlaubern ohne jede Fahrpraxis angemietet und durch das Land und über die Inseln gedroschen werden. Dazu tauchen die lärmenden Dinger zum Leidwesen von Einwohnern und Gästen auch Nachts in Wohngebieten auf. Die Unfallzahlen steigen massiv. Von der Fahrbahn abzukommen und mit dem Quad in Schluchten zu stürzen, ist schon fast harmlos. Es schert niemand. Man ist versichert. Umweltschutz? The show must go on.
Die Bürokratie und ihre Trägheit ist ohne Netzwerke kaum zu überwinden. Haben Sie schon mal auf eine Baugenehmigung in Kroatien gewartet, vor allem, wenn besondere Gestaltungen und Wünsche beantragt sind? Eine dringende Yacht-Registrierung? Ein Liegeplatz? Heuer von guten Crews?
Ich bin gespannt, was 2024 passiert. Meine Prognose: Es wird einen massiven Besucherrückgang geben. Viele die 2023 freudig Kroatien gebucht haben, wurden finanziell geschockt. Nun ist man hier, schluckt und zahlt, soweit es geht. Wiederkommen? Nein Danke – für viele. Somit können die neuen Erfolgszahlen 2023 trügen. Sie sind nicht in die Zukunft extrapolationsfähig.
Damit ich nicht missverstanden werde: Kroatien ist ein einzigartig schönes Land und hat so viel zu bieten, besonders, aber nicht nur im Bereich Yachting. Maß halten muss aber gelernt werden. Und nachhaltiger Wohlstand kommt von kontinuierlicher Anstrengung. Die Kroaten gehen durch eine Entwicklung, durch die alle anderen rund ums Mittelmeer bereits gingen oder noch gehen.
Wie sind den Ihre Erfahrungen und Prognosen?
Kroatien wird es schmerzlich lernen, wenn die Gäste weg bleiben.
Gerade im Maritimen Bereich wird zwar viel Geld da gelassen. Aber eben nicht unendlich. Auch die Gäste der Superyachten wissen wann Abzocke beginnt.
Auch wenn die Kroatischen Marinas allesamt sauber und ordentlich sind, sind Preise von 250,- bis 300,- € für eine Nacht für einen 14m Katamaran auch für Chartercrews nicht mehr zu stemmen.
Da bleibt man dann lieber am Anker und fährt mit dem Dingi zum Essen an Land oder kocht an Bord selber.
Aber so what.
Kroatien ist eines der schönsten Segelreviere und wir sind gerne dort.
Danke, Herr Schaller, ich bin gerade im Büro Split und wir hatten gestern Team-Konferenz und auch diese Themen besprochen. Die aktuellen Buchungslagen überall sowie der an jeder Ecke zu spürende Boom zeigen, dass der Gast überraschenderweise nicht ausbleibt. Es werden auch 2024 die Grenzen neu getestet und die das Angebotsportfolio nach oben geschoben. In Split wird nahe der ACI Marina ein neues 5*Hotel entstehen, das alles überbietet. Ich glaube die Mehrheit der Gäste, die wir hier in den letzten 20 Jahren hauptsächlich hatten, werden sich entweder anpassen oder wegbleiben müssen. Dafür kommen neue, die erkennen, dass Kroatien etwas zu bieten hat, das die meisten MED Länder nicht haben und das sich die Kroaten nun versilbern lassen. Split hat Preise wie in Südfrankreich, der Lidl ist teurer als in Frankfurt, 8T€/qm bei Normal-Immobilien Standard.
Danke. Dann haben Sie den Überblick.
Ich erinnere mich, dass vor 20 Jahren in Primosten 3 Gänge mit Getränken für 4 Personen bei ca. 70 € lagen. Tempi passati. Dennoch die Steigerung ist weder durch Kosten noch durch Qualität gerechtfertigt. Jedes Maß ist abhanden gekommen.
Ich war gerade in Mailand und Turin und war erstaunt, wie „normal“ die Preise sind. Weit unter denen im touristischen Kroatien.
Gute Recherche, bin seit über 30 Jahren 3 bis 6 Wochen in der kroatischen Adria unterwegs.
Von Jahr zu Jahr geht es nach oben. Aber mit Euroeinführung und Schengen explodiert es.
Bojenpreise, Marinas, sogar beim ankern wird man abgezockt. Von Lokalpreisen.nicht zu sprechen. Im September auf Mlet ein mickriges Essen für 4 Pers. Euro 326, in Betina 396,00.
Regeln könnten es sich nur, wenn die meisten auf Selbstversorgung setzen und die Versorgung von zuhause mit gebracht wird.