Das Hexenwerk „EU-Yacht-Versteuerung + Zoll“ – auf ein Neues

Ich kann dieses Thema und seine Risken nicht genug betonen, zumal im Markt mit Halbwissen soviel Scharlatanerie mit diesem sensiblen Thema betrieben wird.

Warnen kann ich auch nur davor, sich von jemandem zu einer geringen Flat-Rate „Gutachten“ oder „Expertisen“ zur Steuer- und Zollsituation eines Wasserfahrzeugs ausstellen zu lassen, vor allem dann, wenn allein bei den Angeboten bereits fachlich Zoll- und Steuerrecht durcheinandergebracht wird.

Die offensichtlich steuerlich und zollrechtlich einfachen und klaren Fälle brauchen kein solches „Gutachten“ und die komplex-schwierigen sind aufgrund einer Fülle notwendiger Recherchen und Prüfungen seriös und wirtschaftlich für eine solche Low-Flat-Rate nicht zu begutachten. Wir verbringen bei schwierigen Fällen oft Tage alleine mit der Recherche des Sachverhalts und der Historie sowie der Abstimmung mit Behörden, bevor wir uns eine rechtliche Meinung erlauben können.

Ich greife hier nur einige wichtige und typischen Problemkreise für den Prüfungsprozess heraus:

A)

Zoll- und Steuerrecht sind zwei verschiedene Rechtsmaterien, die nicht vermischt werden dürfen.

a) ZOLLRECHT

Wenn es um Fragen von Unionswaren- oder Nicht-Unionswaren-Status geht, befinden wir uns im ZOLL-RECHT.

Waren, die sich im Zollgebiet der Europäischen Union befinden, haben entweder den Status von Unionswaren oder den Status von Nicht-Unionswaren.

Unionswaren sind (Art. 5 Nr. 23 UZK):

  1. Waren, die vollständig im Zollgebiet der Union gewonnen oder hergestellt worden sind, unter der Voraussetzung, dass es sich hierbei um Ursprungswaren (Art. 23 ZK) handelt.
  2. Waren, die außerhalb des Zollgebiets der Union gewonnen oder hergestellt wurden – ihren Ursprung also in einem Drittland haben – und in der Union ordnungsgemäß zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen wurden.
  3. Waren, die ausschließlich aus den vorgenannten Unionswaren gewonnen oder hergestellt wurden.
Grafik zur Unionsware

Unionswaren, die das Zollgebiet der Union verlassen, verlieren mit dem Grenzübertritt im Allgemeinen ihren Status als solche und werden zu Nicht-Unionswaren (Art. 154 UZK).
Über Unionswaren darf der Wirtschaftsbeteiligte grundsätzlich – ohne Mitwirkung der Zollbehörden – beliebig verfügen.

Zölle sind nach Art. 5 Nrn. 20 und 21 Zollkodex der Union Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben im Sinne des Zollrechts der Europäischen Union und dienen heute in erster Linie dem Schutz der heimischen Wirtschaft. Beim „Zollrechtlichen Status“ von Waren geht es um das Konzept des zollrechtlichen Status von Waren, insbesondere in welchen Fällen und auf welche Art der Unionscharakter von Waren nachzuweisen ist und um die Auswirkungen des zollrechtlichen Status auf die Versandsysteme.

b) STEUERRECHT

EINFUHRUMSATZSTEUER

Die Einfuhrumsatzsteuer wird neben den Zöllen und den besonderen Verbrauchsteuern bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern durch die deutsche Zollverwaltung erhoben.

Die Einfuhrumsatzsteuer entspricht weitgehend der Umsatzsteuer (auch als Mehrwertsteuer bezeichnet), die beim Verbrauch oder Verkauf von Waren und bei der Erbringung von Dienstleistungen im Inland bzw. bei Lieferungen innerhalb der Europäischen Union anfällt.

Auch die Einfuhr von Waren aus einem umsatzsteuerrechtlichen Drittlandsgebiet in die Bundesrepublik Deutschland unterliegt der Umsatzsteuer, jetzt allerdings bezeichnet als Einfuhrumsatzsteuer. Im Gegensatz zur Umsatzsteuer handelt es sich hierbei um eine Verbrauchsteuer und um eine Einfuhrabgabe im Sinne der zollrechtlichen Vorschriften.

Die von der Umsatzsteuer des Ausfuhrlandes entlastete Ware wird im Gegenzug mit der Einfuhrumsatzsteuer des Einfuhrlandes belastet. Durch diese Einfuhrbesteuerung wird verhindert, dass die eingeführten Waren ohne Umsatzsteuer an den Endverbraucher gelangen.

UMSATZ/MEHRWERTSTEUER / VERBRAUCHSSTEUER

Die Mehrwertsteuer (MwSt) ergibt sich aus dem Mehrwert einer Ware, der durch die Wertschöpfung eines Produktes entsteht und sich auf die Weiterveräußerung überträgt. 

Die Mehrwertsteuer ist eine sogenannte Konsumentensteuer, die den Endverbraucher beim Kauf von Produkten oder bei der Erlangung von Dienstleistungen belastet. Die Steuer wird von Unternehmen auf ihre Waren und Dienstleistungen aufgeschlagen und über den Kaufpreis oder mit der Rechnungsstellung von ihren Kunden erhoben. Die vereinnahmte Steuer leiten die Unternehmen danach an das Finanzamt weiter. Bei der Abführung der Steuer an das Finanzamt wird die Mehrwertsteuer als Umsatzsteuer bezeichnet.  Der Unterschied zwischen Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer ist, dass Unternehmen sich die gezahlte MwSt. durch die Vorsteuer erstatten lassen können, oder sie auf ihre eigene Umsatzsteuerschuld anrechnen. Der Unternehmer zahlt daher lediglich die Differenz aus der gezahlten Umsatzsteuer und dem Verkaufspreis.

EIN IN DER EU GEKAUFTES WASSERFAHRZEUG WIRD BEIM ENDKUNDEN UND PRIVATEN EIGNER/NUTZER MEHRWERT-VERSTEUERT. Jedes Wasserfahrzeug, welches einer natürlichen oder juristischen Person mit Sitz in der EU gehört bzw. von solchen Personen benutzt wird, hat sich im „freien Verkehr“ der EU zu befinden und ordnungsgemäß versteuert zu sein.

Das Verbrauchsteuergebiet entspricht grundsätzlich dem Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten. Das Verbrauchsteuergebiet der EU ist jedoch nicht mit dem Zollgebiet der Gemeinschaft gleichzusetzen!

B)

Der MwSt. – Irrtum „Alter <1985“:

Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) 2006/112/EG ist eine seit 01.01.2007 geltende europäische Richtlinie, die ein weitgehend einheitliches Mehrwertsteuersystem in der Europäischen Union (EU) vorgibt. 

Nach ihr werden gem. Artikel 411 die Richtlinie 67/227/EWG und die Richtlinie 77/388/EWG unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang XI Teil B genannten Fristen für die Umsetzung in innerstaatliches Recht und der Anwendungsfristen aufgehoben. Richtlinie 92/111/EWG (ABl. L 384 vom 30.12.1992, S. 47)

Laut Anhang XI Teil A wird damit auch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung von Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer aufgehoben, worin unter Art. 28n Wasserfahrzeuge aller Art, die vor dem 01. Januar 1985 in Betrieb genommen wurden als „versteuert“ gelten, wenn sie sich am 31.12.1992 auf den 01.01.1993 in einem der Gründerländer der EU befanden (Gründung der EU durch Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich).

„Abweichend von … stellt die Einfuhr von Gegenständen … keinen Steuertatbestand dar, wenn der eingeführte Gegenstand ein Fahrzeug ist, welches unter den für den Binnenmarkt eines Mitgliedstaats im Sinne von Artikel 3 geltenden Steuerbedingungen vor dem 1 . Januar 1993 erworben oder eingeführt wurde und/oder für welches bei seiner Ausfuhr keine Befreiung oder Steuervergütung gewährt worden ist. Diese Bedingung gilt als erfüllt, wenn das Fahrzeug vor dem 1 . Januar 1985 in Betrieb genommen wurde oder wenn der Betrag der bei der Einfuhr fälligen Steuer geringfügig ist.“

Artikel 411
(1) Die Richtlinie 67/227/EWG und die Richtlinie 77/388/EWG werden unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang XI Teil B genannten Fristen für die Umsetzung in innerstaatliches Recht und der Anwendungsfristen aufgehoben.

Art 28n hat in der MwStSystRL keine Entsprechung gefunden.

FAZIT:

Jedes Wasserfahrzeug benötigt einen anerkannten Nachweis der Versteuerung, es sei denn nationales Recht regelt dies entsprechend 28n, was gem. der Umsetzungspflicht zu erfolgen hat.

C)

Wasserfahrzeuge, die am Stück länger als 3 Jahre die EU verlassen haben, verlieren u.U. ihren zollrechtlich ihren Unionscharakter sowie steuerlich ihren Versteuerungscharakter.

Ob ein solcher Fall vorliegt, unterliegt einer Einzelfallprüfung, denn hier gibt es so viele Aspekte und Ausnahmen, dass eine rein numerische Feststellung nicht möglich ist.

D)

Steuer-Falle „Leasingmodelle“

Bis 2018 bzw. 2020 (Frankreich) gab es Leasingmodelle, vor allem in Malta, Zypern, Italien und Frankreich, die im Rahmen autonomer steuerlicher Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen stark reduzierte Mehrwertsteuer-Sätze auf Wasserfahrzeuge ansetzten. Dabei wurden verdeckte Abzahlungskäufe als Dienstleistungs-Leasings gestaltet. Das EUGH Mercedes Urteil von 2017 beendete diese Gestaltungen.

In der Folge gibt es nun viele Yachten, die durch solche Verfahren gelaufen und angeblich „EU-versteuert“ sind. Bei einer ganzen Reihe von Yachten wurden die Leasing-Verfahren nicht abgeschlossen.

Ich kann hier nur zu größter Vorsicht raten und empfehlen, jedes Kaufangebot mit einem derartigen Steuer-Hintergrund genau prüfen zu lassen. Jedes dieser Leasingmodelle ist im Einzelfall anders.

Solange keine Verjährung eingetreten ist, kann eine fehlerhafte oder unzulässigen Steuergestaltung vorliegen, die massive steuerliche und steuer-strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

RAT:

Bei Wasserfahrzeugen geht es meist um Werte, bei denen Zoll bzw. Steuer schnell 4-6stellige Beträge ausmachen können. Die Steuerbehörden sind rigoros und die Folgen von Steuerstrafverfahren in derartigen Größenordnungen empfindlich. Sparen Sie nicht an fundierter Beratung und Prüfung der Steuersituation.

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