Wann ist ein Yachtcharter eine reine Einzelleistung—und wann ein „Reisepaket“ mit voller Veranstalterhaftung, Informations- und Absicherungspflichten? Der Beitrag ordnet die EU-weit harmonisierte Pauschalreise-Regulierung in die yachtrechtlichen Besonderheiten der großen Chartermärkte Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Kroatien und Griechenland ein und liefert klare Handlungsempfehlungen für Broker, Veranstalter, Manager und Eigner.
1. Ausgangspunkt: EU-Pauschalreiserichtlinie 2015/2302
Die EU-Pauschalreiserichtlinie 2015/2302 („PTR“) harmonisiert europaweit den Verbraucherschutz bei Pauschalreisen und verbundenen Reiseleistungen. Eine Pauschalreise liegt insbesondere vor, wenn mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen (z. B. Beförderung, Beherbergung, Fahrzeugmiete, andere touristische Leistungen) für dieselbe Reise, zu einem Gesamtpreis unter einem Vertrag angeboten/verkauft werden. Daraus folgen u. a. Veranstalterhaftung, vorvertragliche Informationspflichten, Insolvenzabsicherung, Regeln zu Preisänderung, Vertragsübertragung und Beistand bei außergewöhnlichen Umständen.
Yachtcharter als Einzelleistung bleibt demgegenüber außerhalb des Paketregimes—solange keine zweite „Hauptleistung“ (z. B. Flug, Hotel, Landprogramm) rechtlich gekoppelt ist. Die Betreiberpflichten richten sich dann vor allem nach Flaggen-, Sicherheits-, See- und Vermittlungsrecht.
2. Italien: Dualität von Yachtrecht und Tourismusrecht—plus „noleggio occasionale“
Charterrecht/Yachtrecht. Italien regelt den Sport- und Charterbetrieb im Codice della nautica da diporto (D. Lgs. 171/2005). Für die Tätigkeit des mediatore del diporto (Yachtbroker) gelten Qualifikations- und Registerpflichten.
Pauschalreise. Die PTR wurde mit D. Lgs. 62/2018 in den Codice del turismo integriert. Wer „Yacht + weitere Hauptleistung“ als Paket verkauft, unterliegt dem Veranstalterregime (Informationspflichten, Absicherung, Beistand).
Occasional Charter („noleggio occasionale“). Für italienisch registrierte Vergnügungsyachten existiert ein Sonderregime mit strikten Grenzen und Anzeige-/Steuerbesonderheiten; bei wirtschaftlicher Verdichtung droht Umqualifikation zur vollen kommerziellen Nutzung. (Operativ bleibt die Technik/Sicherheit stets beim Eigner/Kapitän; die verbraucherschützenden Pflichten treffen den Veranstalter nur, wenn tatsächlich ein Paket vorliegt.)
Praxis-Merksatz IT: „Reiner Charter ? Pauschalreise; Paket nur bei echter Mehrleistungskombination. Broker bleiben Broker; sobald ein Paket entsteht, braucht es einen Organizzatore mit PTR-Compliance.“
3. Deutschland: Klarer Zuschnitt der §§ 651a ff. BGB
Pauschalreise. Deutschland hat die PTR in §§ 651a ff. BGB umgesetzt. Der Pauschalreisevertrag verpflichtet den Reiseveranstalter, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen; alle PTR-Pflichten (Infos, Absicherung, Preisänderung, Gewährleistungsrechte) greifen.
Charter. Reiner Yachtcharter (mit/ohne Crew) ist keine Pauschalreise, solange keine zweite Hauptleistung rechtlich verbunden wird. Die Rechtsfolgen liegen im See-/Yachtrecht und im gewerblichen Vermittlungs-/Maklerrecht.
Praxis-Merksatz DE: „Einzelleistung bleibt Einzelleistung—Marketing darf das nicht verwässern. Bei Kombis (Charter + Flug/Hotel/Landprogramm) kippt die Qualifikation ins Pauschalreiserecht.“
4. Frankreich: Weite Verbraucherschutznormen im Code du tourisme
Pauschalreise. Der Code du tourisme (Art. L. 211-1 ff.) definiert Anwendungsbereich und Pflichten; die Haftung des professionellen Anbieters für die ordnungsgemäße Leistungserbringung ist gesetzlich scharf konturiert. Légifrance+2Légifrance+2
Charter. Solange eine Charter allein verkauft wird, bleibt sie außerhalb des Paketregimes; bei Paketbildung (Charter + X) greifen Informations-, Absicherungs- und Haftungsregeln des Tourismuscodes.
Praxis-Merksatz FR: „Consumer-facing liability ist streng—Paketbildung triggert Haftung de plein droit.“
5. Spanien: Paketrecht + strenge Charter-Lizenz- und Dokumentationspraxis
Pauschalreise. Spanien hat die PTR über RDL 23/2018 in das konsolidierte Verbraucherrecht (RDLg 1/2007) integriert; dort finden sich Definition, vorvertragliche Info- und Rücktrittsrechte sowie Haftungszuordnung.
Charter. Operativ gelten Charter-Lizenz- und Nachweispflichten, regional teils verschärft (z. B. eigner-/liegeplatzbezogene Vorgaben). Wer Pakete verkauft, trägt zusätzlich die PTR-Pflichten; der Schiffsbetrieb verbleibt beim Eigner/Operator.
Praxis-Merksatz ES: „Zwei Spuren: (1) Charterlizenz & Nachweise, (2) ggf. PTR-Veranstalterpflichten bei Paket—beides muss parallel sitzen.“
6. Kroatien: Tourism Services Act + Charter-Sonderregime (e-Crew, Lizenz, VAT)
Pauschalreise. Der Act on the Provision of Tourism Services (NN 130/17 u. a.) enthält das nationale Paketregime (inkl. „linked travel arrangements“) in PTR-Logik.
Charter. Kroatien kombiniert das Tourismusrecht mit einem operativen Charter-Regime (u. a. e-Crew-Anmeldung, Agentenpflichten; besondere Anforderungen für Nicht-EU-Flaggen). In der Praxis wird bei Chartern, die in HR beginnen, regelmäßig 13 % USt/PDV erhoben.
Praxis-Merksatz HR: „Compliance ist prozessual (e-Crew, Agent, Nachweise) und steuerlich (13 % PDV) sauber zu orchestrieren; Paketbildung aktiviert zusätzliche PTR-Pflichten.“
7. Griechenland: Touristische Yachten (Law 4256/2014) + PTR via PD 7/2018
Charterrecht/Yachtrecht. Law 4256/2014 ordnet den Betrieb „touristischer“ Yachten (kommerziell/privat), Registrierung und gewerbliche Nutzung. E-TEPAI (Cruising Tax) und fachliche Nachweise flankieren die Praxis.
Pauschalreise. Griechenland hat die PTR mit Presidential Decree 7/2018 umgesetzt; Veranstalterpflichten entsprechen dem EU-Standard. Reisebüros arbeiten im Notifizierungsverfahren (Anzeige) statt Konzession.
Praxis-Merksatz GR: „Yachtbetrieb nach 4256/2014, PTR-Pflichten bei Paketen; Notifizierung statt klassische Lizenz für Reisebüros.“
8. Matrix „Charter vs. Paket“—Rechtsfolgen im Überblick
| Rechtsfolge | Reiner Yachtcharter (Einzelleistung) | Pauschalreise (Charter + weitere Hauptleistung) |
|---|---|---|
| Anwendbares Regime | Flagge/See-/Sicherheitsrecht, Yacht-/Maklerrecht | PTR-Umsetzung des jeweiligen Staats + Verbraucherrecht |
| Haftung ggü. Reisenden | Leistungsstörungen nach Charterrecht/Vertrag | Veranstalterhaftung für alle Paketbestandteile |
| Vorvertragliche Infos | branchentypisch (z. B. MYBA-Formulare), kein PTR-Standard | Pflicht-Informationsblätter nach nationalem Recht |
| Insolvenzabsicherung | i. d. R. nicht erforderlich | obligatorisch (Garantie/Absicherungssystem) |
| Preis-/Programmänderung | vertraglich/See- und Charterpraxis | gesetzliche Preisänderungs- und Rücktrittsregeln |
| Beistandspflichten | keine PTR-Beistandspflicht | Beistand bei außergewöhnlichen Umständen |
| Operative Schiffspflichten | Eigner/Operator/Kapitän | bleiben Eigner/Kapitän; PTR wirkt nur „consumer-facing“ |
| Steuern/Abgaben (Auszug) | je nach Land (z. B. HR 13 % auf HR-Beginn; GR E-TEPAI u. a.) | zusätzlich ggf. reisebezogene Abgaben/Absicherung |
(Quellen u. a.: PTR 2015/2302; DE: §§ 651a ff. BGB; FR: Code du tourisme L. 211-1 ff.; IT: D. Lgs. 62/2018, D. Lgs. 171/2005; ES: RDL 23/2018, RDLg 1/2007; HR: Act on Provision of Tourism Services; GR: PD 7/2018, Law 4256/2014.)
9. „Deal-by-Deal“-Prüfung: 6 Schritte für Anbieter
- Produkt sauber klassifizieren. Wird nur die Yacht verkauft—oder Yacht + (Flug/Hotel/Landprogramm) unter einem Vertrag/Gesamtpreis? Nur dann greift das PTR-Regime.
- Vertragssuite trennen.
– Charter only: Chartervertrag (z. B. MYBA/landesspezifisch) + Vermittler-AGB; keine „Package“-Claims im Marketing.
– Paket: Veranstalter-AGB + Informationsblätter, Insolvenzabsicherung, Beistandsprozesse. - B2B-Addendum Veranstalter–Eigner/Manager. Rollen, Safety/ISM, Zertifikate/Crew, Insurance, Notfall-SOPs, Auditrechte eindeutig „back-to-back“. (Technik bleibt beim Eigner/Skipper, auch im Paketfall.)
- Landesspezifika abbilden.
– IT: „noleggio occasionale“ sauber führen; Broker-Register/Qualifikation beachten.
– ES: Charterlizenz-/Dokunachweise vor Saison sichern.
– HR: e-Crew, Agent, 13 % USt für HR-Beginn; Flaggenstatus prüfen.
– GR: Registry/4256-Compliance, E-TEPAI, Notifizierungsverfahren für Reisebüros. - Marketing & Sales schulen. Keine irreführenden „Package“-Begriffe bei reiner Charter; klare Rollenbezeichnungen (Broker ? Veranstalter).
- Dokumentation/Inspektion. Bordpapiere, Pax-Listen, Zahlungsbelege, Charterstatus (commercial/pleasure) müssen konsistent sein—Crew auf Kontrollszenarien schulen.
10. Fazit
Die Abgrenzung Charter (Einzelleistung) versus Pauschalreise (Kombination) ist in der EU materiell einheitlich, die operativen und aufsichtsrechtlichen Flanken (Broker-Register, Charterlizenz, e-Crew, Steuern/Abgaben) sind jedoch länder- und teils regionsspezifisch. Wer Yacht + X als Gesamtprodukt anbietet, ist Veranstalter—mit allen PTR-Pflichten. Wer nur die Yacht verkauft, bleibt im Yacht-/Seerecht—muss aber Flaggen-, Sicherheits-, Vermittlungs- und Steuerregeln des Fahrtgebiets präzise erfüllen.
Quellen (Auswahl)
- EU: Richtlinie (EU) 2015/2302 (PTR), Kommissionsseite zu Paketreisen.
- Italien: D. Lgs. 62/2018 (PTR-Umsetzung) im Codice del turismo; Codice della nautica da diporto (D. Lgs. 171/2005); Hinweise zum mediatore del diporto.
- Deutschland: §§ 651a ff. BGB (Pauschalreisevertrag).
- Frankreich: Code du tourisme, Art. L. 211-1 ff., Haftungsregeln.
- Spanien: RDL 23/2018; RDLg 1/2007 (consolidated); behördliche Hinweise.
- Kroatien: Act on the Provision of Tourism Services; e-Crew/Gov-Hinweise; Praxis-Overviews (Agent, 13 % VAT).
- Griechenland: Law 4256/2014 (touristische Yachten); PD 7/2018 (PTR-Umsetzung); Notifizierung Reisebüros; E-TEPAI (AADE-FAQ).


