Yacht-Kaskoversicherung: Deckung von Schäden während eines Anlandholens. Wegweisendes Urteil des LG Köln

CPS Schließmann . Wirtschaftsanwälte, Frankfurt am Main, haben in einem Rechtsstreit vor dem LG Köln obsiegt.

Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht und Spezialist für Yachtrecht vertrat den Kläger und Yachteigner.

Urteilsbesprechung: LG Köln, Urteil vom 13.11.2024 – 20 O 18/23

Einleitung

Das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. November 2024 behandelt einen zentralen Konflikt im Versicherungsvertragsrecht, der für Yachteigner von großer praktischer Bedeutung ist. Es ging um die Frage, ob eine Yacht-Kaskoversicherung die entstandenen Schäden deckt, die während eines Anlandholens auftraten, oder ob der Versicherer die Leistung aufgrund eines Ausschlusses verweigern darf. Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und klärte dabei zentrale Fragen zur Auslegung und Geltung von Versicherungsbedingungen sowie zur Transparenzpflicht der Versicherer. Dieser Beitrag analysiert die Entscheidung im Detail und bewertet ihre Auswirkungen sowohl aus rechtlicher als auch aus praktischer Sicht.

Sachverhalt

Der Kläger, privater Eigner einer Motoryacht, hatte eine Allgefahrenversicherung mit einer Versicherungssumme von 1.030.000 Euro bei der Beklagten abgeschlossen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der AXA Versicherung AG enthielten unter anderem eine Klausel (Ziff. 5.2.2), die den Versicherungsschutz für Schäden während eines Transports ausschloss, sofern diese nicht durch Transportmittelunfälle verursacht wurden.

Am 13. Oktober 2022 kam es auf dem Gelände einer spanischen Werft zu einem Zwischenfall: Während des Anlandholens riss der Träger eines Travel-Lifts, wodurch die Yacht zu Boden fiel und erhebliche Beschädigungen erlitt. Die AXA verweigerte die Leistung mit der Begründung, es habe sich um einen Transport gehandelt, der von der Versicherung nicht gedeckt sei. Der Kläger argumentierte hingegen, dass der Schaden während eines versicherten Anlandholens eingetreten sei, und bestritt die Einbeziehung sowie Transparenz der AVB.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Köln stellte sich auf die Seite des Klägers und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der Versicherungssumme. Das Gericht begründete dies wie folgt:

  1. Einbeziehung der AVB: Das Gericht sah es als nicht hinreichend bewiesen an, dass die AVB dem Kläger vor Vertragsschluss übermittelt worden waren. Damit fehlte es bereits an einer wirksamen Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB.
  2. Transparenz der AVB: Selbst wenn die AVB als Vertragsgrundlage wirksam einbezogen worden wären, stellte das Gericht fest, dass die Klausel 5.2.2 intransparent sei. Die Begriffe „Transport“ und „Transportmittelunfall“ seien unklar und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nicht verständlich.
  3. Auslegung des Begriffs “Anlandholen”: Das Gericht legte dar, dass das Anlandholen nicht in dem Moment endet, in dem die Yacht aus dem Wasser gehoben wird, sondern erst, wenn sie ihren vorgesehenen Stellplatz sicher erreicht hat. Die Fortbewegung der Yacht auf dem Werftgelände sei somit als Teil des Anlandholens und nicht als Transport zu werten.
  4. Anspruch des Klägers: Aufgrund des festgestellten wirtschaftlichen Totalschadens und der vertraglich vereinbarten festen Taxe sprach das Gericht dem Kläger die volle Versicherungssumme zu.

Ausführliche rechtliche Analyse

  1. Relevanz der AVB-EinbeziehungNach § 305 Abs. 2 BGB müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen vor Vertragsschluss übermittelt werden, um wirksam einbezogen zu werden. Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass die AVB dem Kläger rechtzeitig übergeben wurden. Diese Feststellung allein hätte ausgereicht, um die Klage zu begründen.
  2. Transparenzgebot und VerbraucherschutzBesonders kritisch beurteilte das Gericht die mangelnde Transparenz der Klausel 5.2.2. Das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt, dass Vertragsklauseln klar und verständlich formuliert sind. Die fehlende Definition von “Transport” und “Transportmittelunfall” führte dazu, dass die Klausel nicht nur als unwirksam eingestuft wurde, sondern auch den Versicherungsschutz unangemessen eingeschränkt hätte.
  3. Abgrenzung zwischen Anlandholen und TransportDas Gericht stellte klar, dass typische Abläufe wie das Anlandholen oder Zuwasserlassen grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasst sein müssen. Diese Auslegung schützt Versicherungsnehmer vor unangemessenen Leistungsausschlüssen und betont die Notwendigkeit einer kundenfreundlichen Vertragsgestaltung.
  4. Schadensmeldung und ObliegenheitenDas Urteil unterstreicht auch, dass eine ordnungsgemäße und zeitnahe Schadensmeldung ausreicht, um Obliegenheiten zu erfüllen. Zusätzliche Anforderungen, wie sie die Beklagte geltend machte, wurden als unbegründet verworfen.
  5. Wirtschaftlicher TotalschadenDurch die feste Taxe im Versicherungsvertrag wurde sichergestellt, dass die volle Versicherungssumme ausbezahlt wird, sobald die Reparaturkosten die Versicherungssumme übersteigen. Dies schützt den Versicherungsnehmer vor langwierigen Auseinandersetzungen über den Restwert oder alternative Reparaturkosten.

Praktische Konsequenzen für Yachteigner

  1. Klare VertragsunterlagenYachteigner sollten darauf bestehen, sämtliche Versicherungsbedingungen vor Abschluss eines Vertrags zu erhalten und diese im Detail zu prüfen. Unklare oder widersprüchliche Klauseln sollten hinterfragt werden.
  2. Dokumentation von VorgängenUm Ansprüche im Schadenfall erfolgreich geltend zu machen, ist eine umfassende Dokumentation des Schadensereignisses essenziell. Fotos, Berichte und E-Mails können im Streitfall entscheidend sein.
  3. Versicherungsschutz prüfenDie Entscheidung des Gerichts legt nahe, dass Yachteigner ihre Versicherungsbedingungen dahingehend prüfen sollten, ob typische Risiken wie Anlandholen und Zuwasserlassen eindeutig abgedeckt sind.
  4. Signal an VersichererDas Urteil setzt ein deutliches Zeichen an Versicherer, transparente und kundenfreundliche Bedingungen zu formulieren. Die Praxis, intransparente Ausschlüsse geltend zu machen, wird durch dieses Urteil erschwert.

Fazit

Das Urteil des LG Köln ist richtungsweisend für die Versicherungsbranche und den Verbraucherschutz. Es bestätigt die Rechte der Versicherungsnehmer und stellt klare Anforderungen an die Gestaltung von Versicherungsverträgen. Für Yachteigner ist es ein wichtiges Signal, dass typische Risiken ihres Betriebs nicht durch unklare Ausschlussklauseln aus der Deckung fallen dürfen. Gleichzeitig zeigt es, dass eine gute Vorbereitung und Dokumentation im Schadenfall entscheidend ist. Versicherer sollten die Entscheidung zum Anlass nehmen, ihre Bedingungen zu überprüfen und klarer zu gestalten, um Streitigkeiten und Vertrauensverluste zu vermeiden.

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