Rechtswidriger Yachtarrest im Lichte der Arrestkonvention 1952 und des kroatischen Pomorski ZakonikYacht-Arrest ohne Eigentümerhaftung?
Anmerkung und wissenschaftliche Analyse zum Beschluss des Vrhovni sud Republike Hrvatske vom 15. Juli 2025 – Rev?837/2023?2
Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann, Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Abstract
Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs Kroatiens (Vrhovni sud RH) vom 15.07.2025 – Rev?837/2023?2 – bestätigt, dass der Arrest eines Schiffs zur Sicherung einer Forderung aus einem Nutzungs-/Charterverhältnis nur zulässig ist, wenn das betroffene Schiff im Zeitpunkt der Antragstellung im Eigentum des persönlichen Schuldners steht. Ausnahmen gelten ausschließlich für privilegierte Forderungen und Hypotheken (Art. 243, 954 Abs. 3–4 PZ) oder Konstellationen des Art. 3 Abs. 4 Arrestkonvention 1952 (Chartererhaftung). Die Entscheidung schärft die Praxismaßstäbe im Yachting, insbesondere bei internationaler Strukturtrennung zwischen Eigentum, Charter- und Crewmanagement.
Keywords: Ship Arrest; Pomorski Zakonik (PZ); Ovršni zakon (OZ); Brüsseler Arrestkonvention 1952; Maritime Privilegien; Yachtrecht; Internationales Zivilverfahrensrecht
Leitsätze
- Der Arrest zur Sicherung einer Forderung aus dem Nutzungs-/Charterverhältnis (Art. 953 Abs. 1 Nr. 4 PZ) setzt grundsätzlich voraus, dass das zu arrestierende Schiff im Zeitpunkt des Arrestantrags im Eigentum des persönlichen Schuldners steht (Art. 954 Abs. 1, 2 PZ).¹
- Ausnahmen bestehen nur bei maritimen Privilegien bzw. Hypotheken (Art. 243, 954 Abs. 3–4 PZ) oder im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 4 Arrestkonvention 1952 (Haftung des Charterers/Lessees); hierfür bedarf es substantiierten Tatsachenvortrags.²
- Auch bei Flaggen von Nichtvertragsstaaten greift die Arrestkonvention, soweit Art. 8 Abs. 2 die Anknüpfung an das lex fori eröffnet; maßgeblich bleiben die nationalen prozessualen Schranken (Art. 6 Abs. 2 Arrestkonvention; Art. 951 ff. PZ; Art. 344 OZ).³
Abkürzungsverzeichnis
AK 1952 = Brüsseler Arrestkonvention 1952; OZ = Ovršni zakon (kroat. VollstreckungsG); PZ = Pomorski Zakonik (kroat. Seerecht); VTS RH = Visoki trgova?ki sud Republike Hrvatske (Hoher Handelsgerichtshof RH); TS Split = Trgova?ki sud u Splitu.
I. Sachverhalt und Prozessgeschichte
Die Charterer (poln. Gesellschaft) schlossen im Juli 2021 zwei Full?Service?Charterverträge über die m/y SPIRIT OF THE SEA (verwaltet durch CPS). Nach Boarding?Konflikten brach die Betreiberseite den Charter ab. Der Charterer beantragte beim TS Split den Arrest der Yacht zur Sicherung von ca. 90.000?EUR; der Arrest wurde am 23.07.2021 angeordnet (R1?70/21?3) und nach Sicherheitsleistung am 26.07.2021 aufgehoben (R1?70/21?10).? Die hiergegen gerichtete Berufung hatte Erfolg: Der VTS RH wies den Arrestantrag ab (Pž?5305/2021?2, 10.11.2021). Die vom Charterer erhobene Revision blieb erfolglos: Der Vrhovni sud RH wies sie mit Beschluss vom 15.07.2025 – Rev?837/2023?2 – als unbegründet zurück.?
II. Rechtlicher Rahmen
1. Nationales Recht (kroatisch)
Art. 951–958 PZ regeln vorläufige Maßnahmen; Art. 952 PZ ordnet die Durchführung des Arrests über das Auslaufverbot an; Art. 953 Abs. 1 PZ enthält den Katalog maritimer Forderungen (hier Nr.?4: Nutzung/Charter). Art. 954 Abs. 1, 2 PZ verlangen als Grundregel das Eigentum des persönlichen Schuldners im Zeitpunkt des Antrags; Art. 954 Abs. 3–4 PZ statuiert Sonderregeln für privilegierte Forderungen und Hypotheken. Art. 243 PZ definiert die maritimen Privilegien. Prozessrechtlich ist Art. 344 OZ (Voraussetzungen der Sicherungsanordnung) einschlägig.?
2. Internationales Recht (AK 1952)
Art. 3 Abs. 1 AK 1952 erlaubt den Arrest des betroffenen Schiffs oder eines anderen Schiffs des Eigentümers (sog. „sister ship“ i.e.S.); Art. 3 Abs. 4 erweitert auf Haftung des Charterers/Lessees (Arrest des betroffenen oder anderer Schiffe des Charterers). Art. 6 Abs. 2 verweist für das Verfahren auf das lex fori; Art. 8 Abs. 2 erstreckt die Anwendbarkeit auf Nichtvertragsstaaten?Flaggen, soweit das nationale Recht den Arrest vorsieht.?
III. Die Entscheidung (Rev?837/2023?2) im Überblick
Der Vrhovni sud RH bestätigt die Entscheidung des VTS RH, wonach es an der Zulässigkeitsvoraussetzung des Eigentums fehlt. Für Forderungen aus Charter/Nutzung (Art. 953 Abs. 1 Nr.?4 PZ) sei ein Arrest gegen ein Schiff, das nicht im Eigentum des persönlichen Schuldners steht, unzulässig. Auch lägen weder ein maritimes Privileg (Art. 243 PZ) noch die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 AK 1952 (Chartererhaftung) vor. Schließlich verweise Art.?6 Abs.?2 AK?1952 auf das kroatische Prozessrecht, das die Arrestschranken (Art. 951 ff. PZ; Art. 344 OZ) aufrechterhält.?
IV. Dogmatische Einordnung
1. Arrestzweck und Eigentumserfordernis
Der Arrest ist ein Sicherungsinstrument mit Satisfaktionsbezug: Ohne spätere Vollstreckungszugänglichkeit des Haftungsobjekts verfehlt die Maßnahme ihren Zweck. Das Eigentumserfordernis (Art. 954 Abs. 1, 2 PZ) stellt sicher, dass Sicherung und mögliche Verwertung (vgl. Art. 855 PZ zur ozeanischen Zwangsvollstreckung) auf dasselbe Vermögenssubstrat zielen.?
2. Privilegien-/Hypothekenlogik im PZ
Das PZ trennt strikt zwischen persönlicher und dinglicher Haftung. Nur bei dinglichen Sicherheiten (Privileg/Hypothek) darf das Schiff eigentumsunabhängig in Anspruch genommen werden (Art. 954 Abs.?3–4 PZ i.V.m. Art.?243 PZ). Eine Gleichsetzung beider Haftungsschichten liefe der Systematik zuwider.¹?
3. Arrestkonvention 1952 als Rahmen mit Schranken
Die AK 1952 harmonisiert Arrestgründe; sie erweitert diese nicht gegenüber strengeren nationalen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Art. 6 Abs. 2 AK 1952 stellt klar, dass die prozessualen Grenzen des lex fori maßgeblich bleiben – dies verhindert den Missbrauch internationaler Foren zur Druckerzeugung.¹¹
V. Praxisfolgen (Yachting/Strukturierung)
- Strukturtrennung (Eigentum – Operation – Charter – Crew) über Jurisdiktionen ist wirksam gegen unberechtigte Arrestversuche.
- Pre?Arrest?Due?Diligence der Antragstellerseite (Register/Flagge, Eigentumskette, Charterstatus, Belastungen) ist unerlässlich; fehlende DD erhöht das eigene Haftungsrisiko.
- Beweismaß: Für Ausnahmen (Art. 243 PZ; Art. 954 Abs. 3–4 PZ; Art. 3 Abs. 4 AK 1952) ist substantiiertes, belegtes Vorbringen erforderlich.
- Dritt?Eigentümer können Gegenansprüche (Verdienstausfall, Reputationsschaden, Notverkauf unter Wert, Crew?/Liegekosten, Rechtsverfolgung, Finanzierung) geltend machen.
VI. Kritische Würdigung
Die Entscheidung ist dogmatisch stringent und praxisgerecht. Sie schützt unbeteiligte Eigentümer vor Arresten als bloßem Druckmittel und stärkt die Rechtssicherheit. Für Grenzfälle komplexer Operating?/Bareboat?Konstellationen ließe sich eine (enge) Beweiserleichterung diskutieren; dem steht indes der hohe Stellenwert des Eigentumserfordernisses gegenüber.
Literatur- und Rechtsprechungsverzeichnis (Beck?Stil)
– Vrhovni sud RH, Beschl. v. 15.7.2025 – Rev?837/2023?2.
– VTS RH, Beschl. v. 10.11.2021 – Pž?5305/2021?2.
– TS Split, Beschl. v. 23.7.2021 – R1?70/21?3; Aufhebungsbeschl. v. 26.7.2021 – R1?70/21?10.
– Vrhovni sud RH, Beschl. v. 11.10.2017 – Revt 527/2017?2.
– VTS RH, Beschl. v. 14.2.2007 – Pž?6694/06.
– VTS RH, Beschl. v. 23.1.2008 – Pž?100/08.
– Brüsseler Arrestkonvention 1952.
– Pomorski Zakonik (kons. 2024).
– Ovršni zakon (kons. 2024).
Fußnoten
1 Art. 954 Abs. 1, 2 PZ; so bereits VTS RH, Pž?5305/2021?2; bestätigt durch Vrhovni sud RH, Rev?837/2023?2.
2 Art. 243, 954 Abs. 3–4 PZ; Art. 3 Abs. 4 AK 1952; vgl. Vrhovni sud RH, Revt 527/2017?2.
3 Art. 6 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 AK 1952; zu Art. 6 Abs. 2 bereits VTS RH, Pž?6694/06.
4 TS Split, R1?70/21?3 (23.07.2021); R1?70/21?10 (26.07.2021).
5 VTS RH, Pž?5305/2021?2 (10.11.2021); Vrhovni sud RH, Rev?837/2023?2 (15.07.2025).
6 Art. 951–958, 243 PZ; Art. 344 OZ.
7 Art. 3, 6, 8 AK 1952.
8 Vrhovni sud RH, Rev?837/2023?2.
9 Systematisch zur Zweck?Mittel?Relation des Arrests i.V.m. Vollstreckungszugriff insbesondere Art. 855 PZ.
10 Art. 243, 954 Abs. 3–4 PZ; vgl. VTS RH, Pž?100/08.
11 Art. 6 Abs. 2 AK 1952; VTS RH, Pž?6694/06.
Haftet ein Anwalt, der ohne Eigentums-Due Diligence einen Arrestantrag stellt?
Ja—einen Arrestantrag ohne vorherige, belastbare Prüfung der Eigentümerstellung (und der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen) zu stellen, ist anwaltlich ein gravierender Sorgfaltsverstoß. Das ist kein „Formalia-Fehler“, sondern berührt den Zweck des Arrests (Sicherung nur gegen das Vollstreckungssubstrat des Schuldners) und setzt den Mandanten dem strengen Haftungsregime des § 945 ZPO aus. Für den Anwalt droht dann Regress durch den eigenen Mandanten—und in Extremfällen auch deliktische Außenhaftung.
Warum das ein „Kardinalfehler“ ist – die Dogmatik in 5 Punkten
- Strikte Mandantenhaftung nach § 945 ZPO (Arrest/EV):
Erweist sich der Arrest als (von Anfang an) ungerechtfertigt oder wird die Maßnahme aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben, haftet der Antragsteller verschuldensunabhängig für die aus der Vollziehung entstandenen Schäden. Das ist ständige Lehre des Gesetzes und Praxis. Wer ohne tragfähige Eigentumsprüfung beantragt, setzt den eigenen Mandanten diesem Risiko aus. - Anwaltliche Kernpflichten: Sachverhaltsaufklärung + Erfolgsprognose
Der/die Anwalt:in muss den für die Rechtsverfolgung wesentlichen Sachverhalt eigenständig aufklären und den Mandanten über Chancen/Risiken beraten—einschließlich der Pflicht abzuraten, wenn die Verfolgung objektiv aussichtslos oder hochriskant ist (hier: fehlendes Schuldnereigentum als zentraler Showstopper). Tut er/sie das nicht, liegt regelmäßig eine Pflichtverletzung aus Mandatsvertrag (§§ 280 I, 611, 675 BGB) vor. - Regress gegenüber dem eigenen Mandanten:
Trägt der Mandant wegen § 945 ZPO Schäden (z. B. Ausfallzeiten, Sicherheiten, Kosten der Abwehr), kann er diese im Anwaltsregress ersetzt verlangen, wenn die Pflichtverletzung (keine Eigentums-DD, keine Aufklärung/Abmahnung) kausal war. Der BGH betont seit Jahren die fortdauernde Beratungspflicht und die Pflicht, von aussichtsloser/gefährlicher Rechtsverfolgung abzuraten. - Außenhaftung gegenüber Dritten – selten, aber möglich:
Gegenüber dem (unschuldig) betroffenen Dritt-Eigentümer haftet primär der Arrestantragsteller (§ 945 ZPO). Eine eigene Haftung der Anwältin/des Anwalts gegenüber Dritten kommt ausnahmsweise bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) oder Schutzgesetzverletzung in Betracht (hohe Hürden; klare Indizien für bewusst falsches Vorgehen, z. B. sehenden Auges ohne jede Eigentumsprüfung). - Konkret für Yacht-Arreste:
Der Arrest setzt (außer bei privilegierten dinglichen Rechten) i. d. R. Eigentum des persönlichen Schuldners am betroffenen Schiff voraus. Wer das ignoriert, handelt nicht nur prozessual riskant, sondern widerspricht dem Sicherungszweck des Arrests. (Das bestätigt parallel die kroatische Rechtsprechung im hier diskutierten Fall; rechtlich übertragbar ist die Pflicht zur vorgelagerten Eigentums-DD in jeder Jurisdiktion.)
Praxis-Checkliste
- Eigentum verifizieren: Schiffsregisterauszug/Flaggenstaat, Chain of Title, ggf. Bareboat-/Time-Charter-Konstellation prüfen und dokumentieren.
- Zulässigkeit subsumieren: Gibt es Privilegien/Hypotheken (dingliche Haftung) oder nur persönliche Forderungen?
- § 945-Exposition erklären: Dem Mandanten schriftlich (!) darlegen, dass ein Fehlgriff strikt schadensersatzpflichtig macht.
- Abbrechen, wenn unsicher: Ohne belastbare Eigentümer-DD kein Arrestantrag.
- Dokumentation: Beratungsvermerk, Risikohinweis, Entscheidung des Mandanten.
Ergebnis
Ohne Eigentumsprüfung einen Yacht-Arrest zu beantragen, ist anwaltlich ein Kardinalfehler. Primär haftet der Mandant nach § 945 ZPO; der Anwalt haftet im Regress—und außenrechtlich nur in engen Ausnahmefällen (insb. § 826 BGB). Sorgfältige Sachverhaltsaufklärung und Abraten bei fehlenden Voraussetzungen sind zwingend.


