Temporary Admission (T.A.) für Nicht-EU-Yachten – Ein Überblick und praktische Leitlinien


von Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann


1. Einleitung

Die „Temporary Admission“ (T.A.) ist ein bewährtes Zollverfahren, das die zeitlich befristete Einfuhr von Gütern – hier: von nicht-EU-registrierten Superyachten – in das Zollgebiet der Union ermöglicht, ohne dass Einfuhrabgaben (Zoll, Einfuhr-MwSt) fällig werden. Ziel ist die Nutzung der Yacht im EU-Binnenmarkt („Tourismus“, Regatten, Wartung/Refit), verbunden mit der Verpflichtung, die Yacht innerhalb der vorgeschriebenen Frist wieder auszuführen.

Dieser Fachbeitrag fasst die wesentlichen Rechtsgrundlagen zusammen, erläutert die aktuelle Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-781/23), zeigt typische Verlängerungs- und Sanktionsszenarien auf und gibt konkrete Empfehlungen für Yacht-Eigner, Management-Gesellschaften und Rechtsberater.


2. Rechtsgrundlagen

RechtsquelleRegelungWesentlicher Inhalt
UCC (Verordnung (EU) 952/2013)
Art. 250–253
Temp. Admission, Voraussetzungen, SanktionenInhaber außerhalb EU; Kennzeichnung; keine wesentlichen Änderungen¹
UCC-DA (Delegierte VO 2015/2446)
Art. 217(e)
Fristen für TransportmittelStandardfrist 18 Monate für private See-/Binnenwasserfahrzeuge²
UCC
Art. 251 Abs. 2–4
Obergrenze/Verlängerung24 Monate ohne „außergewöhnliche Umstände“; darüber hinaus nur bei solchen?
UCC
Art. 124 Abs. 1(h)
SanktionsbefreiungWegfall der Zollschuld, wenn kein Betrugsversuch und keine wesentlichen Verfahrensbeeinträchtigungen³

¹ Art. 250 Abs. 2 UCC; ² Art. 217(e) UCC-DA; ³ Art. 124 Abs. 1 h UCC; ? Art. 251 Abs. 2–4 UCC.


3. EuGH-Urteil C-781/23 vom 12. Dezember 2024

Im Verfahren C-781/23 klärte der Europäische Gerichtshof, dass

  1. Verlängerungen bis zu 24 Monaten ohne Nachweis „außergewöhnlicher Umstände“ möglich sind, sofern der Antragsteller darlegt, dass die ursprüngliche Frist zur Zweckerreichung nicht ausreicht.
  2. Verlängerungen über 24 Monate nur bei tatsächlichem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände („force majeure“, unvorhersehbare Verzögerungen) genehmigt werden dürfen.
  3. Sanktionsbefreiung nach Art. 124 UCC eingreift, wenn ein Versäumnis unverschuldet war, keine betrügerische Absicht nachgewiesen wird und das Verfahren nicht substanziell beeinträchtigt ist?.

Übertragbarkeit: Obwohl der Streitfall einen Rennwagen betraf, gelten die Prinzipien uneingeschränkt für Yachten unter T.A.


4. Praxis der Fristverlängerung

Frist­schieneMax. DauerNachweisExceptional Circumstances?
Erstbewilligungbis 18 Monate
Verlängerung¹bis 24 Monate gesamtNachweis, dass ursprüngliche Frist nicht ausreichtNein
Ausnahmeantrag²> 24 Monate (max. 10 Jahre)Nachweis außergewöhnlicher UmständeJa

¹ Art. 251 Abs. 2 UCC; ² Art. 251 Abs. 3–4 UCC.

Typische Anlässe für Verlängerungen bis 24 Monate

  • Werft-Slot-Verschiebungen (Refit, technische Überholung)
  • Spätere Terminierung von Regatten oder Events
  • Unvorhergesehene Verzögerungen durch logistische Engpässe

Belege: Werftbestätigungen, Event-Notices, AIS-Logs.

Ausnahmefälle (> 24 Monate)

  • Naturkatastrophen, behördliche Reisebeschränkungen (Pandemie, Krieg)
  • Längere Instandsetzungen bei Havarien, Ersatzteilengpässe

5. Verfahrensablauf und Dokumentation

  1. Monitoring & Reminder
    • Elektronischer Kalender mit Alerts bei 60/30/7 Tagen Vorlauf
  2. Antragstellung
    • Schriftlich (Mail, Portal) vor Fristablauf an das Supervising Customs Office
  3. Begründung & Unterlagen
    • Nachweis der Objektive-Erreichung (z. B. Logbücher, Charter-Planung)
  4. Sicherheiten
    • Bankgarantie oder andere Form der Zollbürgschaft bei hohem Warenwert
  5. Bestätigung & Mitführungspflicht
    • Schriftlicher Bescheid über neue Endfrist muss an Bord verfügbar sein

6. Risiken und Sanktionen

VerstoßRechtsfolgeMilderungsoption
Fristversäumnis ? 24 M. ohne VerlängerungZollschuld + Einf.-MwStNachträglicher Verlängerungsantrag (C-781/23)
Fristversäumnis > 24 M.Zollschuld + Einf.-MwSt + BußgeldAusnahmeantrag mit „exceptional circumstances“
Unzulässiger Refit/ModifikationEntzug T.A., Strafzoll (2–5 %)Vorher IPR-Genehmigung

7. Empfehlungen für Yacht-Stakeholder

  1. Handbuch „T.A. Compliance“
    • SOPs für die Bordbesatzung (Dokumentation Ein-/Ausreise, Nachweisführung)
  2. Frühwarn-Dashboard
    • Power BI/Excel-Tool mit automatischen Countdown-Alerts
  3. Vertragsklauseln
    • Indemnities für Zollrisiken, Kooperationspflicht bei Verlängerungen
  4. Tax-Engineering
    • Budget-Vergleich T.A. vs. Inward-Processing Relief (IPR) bei Refit-Projekten
  5. Dokumenten-Evidence-Pack
    • Zentralisierte Ablage von AIS-Logs, Werftverträgen, Zoll-Bescheiden

8. Fazit

Die Temporary Admission bietet Yachteignern und -betreibern erhebliche Kostenvorteile, erfordert jedoch eine präzise Planung, akkurate Dokumentation und rechtzeitige Anträge. Das EuGH-Urteil C-781/23 stärkt hierbei die Praxis, die T.A.-Fristen flexibel an reale Nutzungs- und Wartungszeiträume anzupassen. Ein integriertes Compliance-System minimiert Risiken und sichert die zoll- und steuerliche Vorteilhaftigkeit.


¹ Verordnung (EU) 952/2013 (UCC), Art. 250 ff.
² Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446, Art. 217(e).
³ UCC, Art. 124 Abs. 1 h.
? UCC, Art. 251 Abs. 2–4.
? EuGH, Rs. C-781/23, Urteil v. 12 Dez. 2024.

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