EuGH erklärt „goldene Pässe“ Maltas für unionsrechtswidrig

Am 29.04.2025 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem vielbeachteten Urteil entschieden, dass das maltesische Programm zur Vergabe von Staatsangehörigkeiten gegen Zahlung von Investitionen („goldene Pässe“) gegen das Unionsrecht verstößt (Az.: noch nicht veröffentlicht).


Sachverhalt:

Malta bot im Rahmen eines sogenannten “Individual Investor Programme” Nicht-EU-Staatsangehörigen die Möglichkeit, gegen Zahlung eines Betrags ab 600.000 Euro sowie weiterer Investitionen und Spenden die maltesische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Die Erlangung der maltesischen Staatsbürgerschaft führt automatisch zum Erwerb der Unionsbürgerschaft nach Art. 20 AEUV, die weitreichende Rechte innerhalb der Europäischen Union vermittelt (u.a. Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Wahlrecht).

Die Europäische Kommission sah hierin eine Verletzung fundamentaler Prinzipien des Unionsrechts und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 AEUV ein.


Rechtliche Würdigung durch den EuGH:

Der EuGH erkennt an, dass die Verleihung der Staatsangehörigkeit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt (Art. 4 Abs. 2 EUV – Achtung der nationalen Identität). Diese Kompetenz ist jedoch nicht schrankenlos, wenn und soweit die Staatsangehörigkeit Wirkungen auf die Rechtsstellung innerhalb der Union entfaltet.

Die entscheidenden Punkte:

  1. Unionsbürgerschaft als eigenständiges Rechtsinstitut
    Die Unionsbürgerschaft (Art. 20 AEUV) ist ein eigenständiger, unmittelbar durch das Unionsrecht vermittelter Status. Sie ist nicht bloß Annex der nationalen Staatsbürgerschaft, sondern vermittelt eigene Rechte und Pflichten innerhalb der Union.
    ? Eine staatsbürgerliche Bindung zur Union muss daher über einen bloßen finanziellen Beitrag hinausgehen.
  2. Verstoß gegen das Loyalitätsgebot (Art. 4 Abs. 3 EUV)
    Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Ziele der Union loyal zu fördern und Handlungen zu unterlassen, die die Verwirklichung dieser Ziele gefährden könnten.
    ? Die käufliche Erlangung der Staatsbürgerschaft ohne eine echte Integration in das Gemeinwesen untergräbt die Integrität der Unionsbürgerschaft und verletzt daher die Treuepflicht.
  3. Gefährdung von Rechtsstaatlichkeit und innerer Sicherheit
    Die Europäische Kommission und der EuGH betonen, dass Programme zur käuflichen Erlangung der Staatsbürgerschaft erhebliche Risiken für Geldwäsche, Steuerflucht und Korruption darstellen.
    ? Dies widerspricht den Grundwerten der Union gemäß Art. 2 EUV und unterläuft die gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Bekämpfung von Finanzkriminalität (vgl. auch RL (EU) 2015/849 – Geldwäscherichtlinie).

Weitere Hintergründe: Zypern als Präzedenzfall

Bereits Zypern hatte bis 2020 ein vergleichbares Staatsbürgerschaftsprogramm betrieben, das in ähnlicher Weise Staatsbürgerschaften gegen hohe Investitionen (i.d.R. zwei Millionen Euro) an vermögende Drittstaatsangehörige verkaufte.
Nach erheblichem politischen Druck und Vertragsverletzungsandrohungen seitens der EU-Kommission stellte Zypern das Programm 2020 ein und zog zahlreiche Verfahren zurück. Auch strafrechtliche Ermittlungen wurden eingeleitet.

? Der Fall Zypern diente der Kommission als zusätzlicher Beleg dafür, dass solche Programme systematische Missbrauchsrisiken bergen und den gemeinsamen Rechtsrahmen der Union aushöhlen.


Rechtsfolgen der Entscheidung:

  • Malta muss das Programm unverzüglich einstellen oder grundlegend reformieren.
  • Verstöße könnten nach Maßgabe von Art. 260 AEUV zu finanziellen Sanktionen führen.
  • Bereits vergebene Staatsangehörigkeiten dürften nur schwer rückabgewickelt werden, weil die Unionsbürgerschaft einmal erworbenen Rechtsstatus entfaltet. Zukünftige Vergaben auf dieser Basis sind aber ausgeschlossen.
  • Weitere Mitgliedstaaten mit ähnlichen Konzepten stehen nun unter besonderer Beobachtung (u.a. Bulgarien).

Mit dieser Entscheidung betont der EuGH, dass die Unionsbürgerschaft ein wesensmäßiges Integrationsverhältnis zur Europäischen Union voraussetzt und nicht als bloßes Handelsgut verfügbar sein darf.
Das Urteil markiert eine deutliche Stärkung der gemeinsamen europäischen Werte und setzt ein klares Signal für den Schutz der Integrität der europäischen Rechtsordnung.


📄 Normüberblick:

NormInhalt
Art. 4 Abs. 2 EUVNationale Zuständigkeit für Staatsangehörigkeit
Art. 20 AEUVBegründung der Unionsbürgerschaft
Art. 4 Abs. 3 EUVLoyalitätsgebot der Mitgliedstaaten
Art. 2 EUVGrundwerte der Union (Rechtsstaatlichkeit, Solidarität)
Art. 258, 260 AEUVVertragsverletzungsverfahren und Sanktionen
RL (EU) 2015/849Geldwäscherichtlinie: Hinweis auf Risiken von “Citizenship by Investment”

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