In internationalen Branchen wie der Yachtindustrie zeigt sich häufig eine problematische Praxis: Die leichtfertige Wahl von englischem Recht und Gerichtsstand durch Vertragsparteien, die weder aus diesem Rechtsraum stammen noch die Konsequenzen dieser Entscheidung abschätzen können. Dies geschieht oft auf Basis von Musterverträgen, die ohne fundierte Kenntnis und Prüfung übernommen werden. Besonders für Parteien außerhalb des englischen Rechtssystems kann diese Wahl erhebliche Risiken und Nachteile mit sich bringen.
Hauptprobleme und Risiken der Rechtswahl in England
1. Verfahrensbesonderheiten in England
- Pre-Action Protocols: Vor der Einreichung einer Klage müssen die Parteien verschiedene vorprozessuale Schritte einhalten, einschließlich eines ernsthaften Versuchs zur außergerichtlichen Einigung. Dies soll gerichtliche Auseinandersetzungen minimieren, kann jedoch zeitaufwendig und kostspielig sein.
- Disclosure: Im englischen Recht besteht eine umfassende Offenlegungspflicht. Parteien müssen alle relevanten Dokumente – auch solche, die ihrer Position schaden könnten – offenlegen. Dies ist nicht nur arbeitsintensiv, sondern auch eine potenzielle strategische Schwächung.
- Trennung von Solicitors und Barristers: Im englischen System sind die Aufgaben von Solicitors (Mandantenkontakt und Fallvorbereitung) und Barristers (Vertretung vor Gericht) strikt getrennt. Dies kann die Prozesskosten in die Höhe treiben und erfordert zusätzliche Koordination.
- Verpflichtende Mediation: Für Streitwerte bis 10.000 Pfund ist ein Mediationsversuch Pflicht. Obwohl dies oft zu einer außergerichtlichen Einigung führt, kann es die schwächere Partei unter Druck setzen.
2. Kostenintensität
- Gerichtsgebühren: Diese richten sich nach dem Streitwert und können zwischen 35 und 10.000 Pfund oder mehr liegen. Für komplexe Verfahren fallen zusätzliche Gebühren an, wie für mündliche Verhandlungen.
- Anwaltskosten: Anders als in Deutschland gibt es keine festen Gebührentabellen. Anwaltsgebühren basieren auf dem Stundenaufwand, was bei komplexen Verfahren schnell die Höhe des Streitwerts übersteigen kann. King’s Counsel Barristers berechnen oft weit mehr als 1.000 Pfund netto pro Stunde.
- Kostenerstattung: Die unterlegene Partei muss in der Regel die gesamten Verfahrenskosten tragen, einschließlich der gegnerischen Anwaltskosten. Dies erhöht das Prozessrisiko erheblich.
3. Auswirkungen auf nicht-englische Parteien
- Unkenntnis der Rechtslage: Parteien außerhalb des englischen Rechtssystems verstehen oft nicht die weitreichenden Konsequenzen, wie die Disclosure-Pflichten oder die höheren Prozessrisiken.
- Asymmetrische Verhandlungsposition: Häufig drängt die stärkere Partei im Vertragsverhältnis auf die Wahl englischen Rechts, um Vorteile aus der Prozessführung oder der Kostensituation zu ziehen.
- Kulturelle und rechtliche Unterschiede: Der Umgang mit Beweisen, Zeugen und die Interpretation von Verträgen unterscheiden sich erheblich von kontinentalen Rechtssystemen wie dem deutschen.
Empfehlungen zur Vermeidung von Risiken
- Kritische Prüfung der Rechtswahl:
- Englisches Recht sollte nur dann gewählt werden, wenn zwingende geschäftliche oder rechtliche Gründe dafür sprechen (z. B. bei Schiedsverfahren mit spezifischen Vorteilen).
- Ansonsten sollte das Heimatrecht oder ein neutraleres Rechtssystem vereinbart werden.
- Juristische Beratung:
- Es ist unverzichtbar, vor Vertragsunterzeichnung einen spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen, der sowohl das englische als auch das heimische Recht kennt und Risiken klar benennt.
- Individuelle Vertragsgestaltung:
- Musterverträge sollten an die spezifischen Bedürfnisse und rechtlichen Kenntnisse der Parteien angepasst werden, um unerwartete Nachteile zu vermeiden.
- Alternative Streitbeilegung:
- Schiedsverfahren oder Mediation können eine sinnvolle Alternative sein, um sich nicht den strikten englischen Verfahrensregeln zu unterwerfen.
Fazit
Die Wahl englischen Rechts und Gerichtsstandes ohne fundiertes Verständnis der Konsequenzen ist, insbesondere in Branchen wie der Yachtindustrie, ein schwerwiegender Fehler. Die rechtlichen und finanziellen Risiken sind erheblich und können für uninformierte Parteien existenzbedrohend sein. Solche Entscheidungen sollten nur auf Basis fundierter juristischer Beratung im internationalen Recht getroffen werden. Andernfalls ist es, töricht, sich ohne zwingendes Erfordernis und ohne Kenntnis der Konsequenzen diesem Rechtssystem zu unterwerfen.