Abenddämmerung im Kreuzfahrtschiff-Bau

Am 25. Juni 2024 berichten mehrere Medien vom Niedergang der Meyer Werft, einem renommierten Kreuzfahrtschiffbauer. Trotz erfolgreicher Auftragslage in der Vergangenheit, steht die Werft nun vor großen Herausforderungen. Ursachen sind unter anderem Managementfehler, hohe Produktionskosten und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Kreuzfahrtindustrie. Mitarbeiterabbau und Umstrukturierungen sollen die Kosten senken, doch die Zukunft bleibt ungewiss. Die Werft sucht nach Lösungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich an die veränderten Marktbedingungen anzupassen. Im Artikel wird beschrieben, dass die Meyer Werft bei einem Kreuzfahrtschiffprojekt nur 20% Anzahlung erhalten hat, während die restlichen 80% erst bei der Fertigstellung gezahlt werden sollten. Diese ungewöhnliche Zahlungsstruktur führt zu erheblichen finanziellen Belastungen für die Werft, da sie den Großteil der Baukosten vorfinanzieren muss. Dies verschärft die bereits bestehenden finanziellen Herausforderungen der Meyer Werft und trägt zu ihrem derzeitigen Abstieg bei.

Eine derart einseitiges Finanzierungsrisiko ist ungewöhnlich. Eine Werft, die von wenigen Großprojekten lebt, kann ein solcher Finanzierungsfehler die Lebensfähigkeit kosten.

Die Finanzierung und Kostenverteilung bei Kreuzfahrtschiffen folgt im Wesentlichen den gleichen Grundprinzipien wie im allgemeinen Schiffbau, ist jedoch durch die Größe und Komplexität der Projekte oft noch umfangreicher und spezifischer gestaltet.

Hier ist eine detaillierte Erörterung, wie die Finanzierung und Kostenverteilung bei Kreuzfahrtschiffen typischerweise abläuft:

1. Vorvertragliche Phase

  • Machbarkeitsstudien und Designplanung: Vor dem Abschluss eines Bauvertrags führen die Reederei und die Werft umfassende Machbarkeitsstudien und Designplanungen durch.
  • Kosten: Diese initialen Planungs- und Beratungskosten trägt in der Regel die Werft, um einen überzeugenden Entwurf zu präsentieren und das Projekt zu sichern.

2. Vertragsabschluss

  • Bauvertrag: Ein detaillierter Vertrag wird zwischen der Reederei (Käufer) und der Werft (Bauer) geschlossen, der die Spezifikationen, den Zeitplan, die Zahlungsmodalitäten und mögliche Strafen für Verzögerungen festlegt.
  • Kosten: Die Reederei leistet eine Anzahlung, die normalerweise 10-20% des Gesamtpreises beträgt.

3. Bauphase

  • Zahlungsraten: Die verbleibenden Kosten werden in mehreren Raten gezahlt, die an spezifische Baufortschritte gebunden sind, wie Kiellegung, Fertigstellung des Rumpfes, Stapellauf und Ausrüstung.
  • Kosten: Diese Zahlungen werden von der Reederei geleistet. Die Werft trägt die laufenden Baukosten, jedoch werden diese durch die Anzahlungen und Raten der Reederei gedeckt.

4. Abnahme und Auslieferung

  • Endabnahme: Nach der Fertigstellung wird das Kreuzfahrtschiff von der Reederei oder einem unabhängigen Gutachter überprüft, um sicherzustellen, dass es den vertraglichen Spezifikationen entspricht.
  • Kosten: Die abschließende Zahlung, oft der größte Teil der Gesamtsumme (bis zu 50%), wird nach erfolgreicher Abnahme geleistet. Kosten für die Abnahmeprüfung können vertraglich geregelt sein, wobei entweder die Reederei oder die Werft diese tragen kann.

5. Finanzierungsquellen und Sicherheiten

  • Bankdarlehen und Kredite: Kreuzfahrtreedereien nutzen häufig umfangreiche Bankdarlehen und Kredite zur Finanzierung. Banken verlangen in der Regel Sicherheiten, die das Schiff selbst oder andere Vermögenswerte umfassen.
  • Exportkreditagenturen (ECA): In vielen Fällen werden Kreuzfahrtschiffe auch durch Exportkreditagenturen unterstützt, die günstige Finanzierungsbedingungen bieten.
  • Kosten: Die Reederei trägt die Kosten für Zinsen und Gebühren dieser Kredite. Manchmal bieten auch die Werften Zwischenfinanzierungen an.

6. Zusätzliche Kosten

  • Überführungs- und Versicherungskosten: Diese werden in der Regel vom Käufer getragen, können aber auch vertraglich anders geregelt sein.
  • Kosten für Änderungen und Sonderwünsche: Änderungen oder zusätzliche Anforderungen während des Baus werden von der Reederei bezahlt.

Beispiel für einen Zahlungsplan bei einem Kreuzfahrtschiff

Ein typischer Zahlungsplan könnte folgendermaßen aussehen:

  • 10% Anzahlung bei Vertragsabschluss
  • 20% bei Kiellegung
  • 20% bei Fertigstellung des Rumpfes
  • 20% bei Stapellauf
  • 20% bei Beginn der Ausrüstungsphase
  • 10% bei Abnahme und Auslieferung

Spezifische Herausforderungen und Überlegungen bei Kreuzfahrtschiffen

  • Größe und Komplexität: Die Größe und Komplexität von Kreuzfahrtschiffen erfordern detaillierte Planung und umfangreiche Finanzierung. Dies bringt oft höhere Anzahlungssummen und mehr Zwischenzahlungen mit sich.
  • Langfristige Verträge: Aufgrund der langen Bauzeiten (oft mehrere Jahre) sind langfristige vertragliche Bindungen und flexible Finanzierungsmodelle erforderlich.
  • Technologische Anforderungen: Moderne Kreuzfahrtschiffe erfordern fortschrittliche Technologien und umweltfreundliche Lösungen, die zusätzliche Kosten und spezialisierte Finanzierungsmöglichkeiten bedeuten können.

Fazit

Die Finanzierung und Kostenverteilung bei Kreuzfahrtschiffen ist ein komplexer Prozess, der sorgfältige Planung und enge Zusammenarbeit zwischen Reederei und Werft erfordert. Es gibt spezialisierte Finanzierungsmodelle und -quellen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen dieses Sektors zugeschnitten sind. Die vertraglichen Vereinbarungen und Zahlungspläne müssen detailliert ausgearbeitet sein, um sowohl die Interessen der Reederei als auch der Werft zu schützen und das Projekt erfolgreich abzuschließen.

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