Neustart der Temporary Admission bei Superyachten: Wenn einzelne Mitgliedstaaten das EU-Zollrecht aushebeln
Einleitung
Für Superyachten unter Nicht-EU-Flagge ist die Temporäre Zulassung (TA) ein essenzielles Instrument: Sie erlaubt bis zu 18 Monate Aufenthalt im Zollgebiet der Union ohne Einfuhrabgaben. Kürzlich zeigte jedoch ein Fall, wie sehr abweichende Auslegungen nationaler Zollbehörden diese Fristgravität gefährden können.
1. Fallkonstellation in Kürze
- Erstaufnahme unter TA in Spanien: Eine nicht-eu-registrierte Luxusjacht wird formal als vorübergehend eingeführt (bis zu 18 Monate zulässig).
- Werterhöhende Arbeiten per IPR: Anschließend erfolgen wertsteigernde Umbauten unter Inward Processing Relief, komplett mehrwertsteuerbefreit nach den Vorgaben des UCC.
- Export ins Hoheitsmeer: Die Yacht verlässt die spanische 12-Seemeilen-Zone – dokumentiert per GPS-Logs und von den spanischen Zollbehörden anerkannt – und wird dort formal exportiert.
- Neuer Einstieg unter TA: Die Rückkehr in EU-Gewässer wird als „Neustart“ des 18-Monats-Zeitraums behandelt, sodass die Frist wieder voll greift.
- Widerstand der französischen Zollbehörde: Bei Kontrolle in Frankreich forderte man zusätzlich den Hafenanlauf eines Drittstaates, lehnte den reinen 12-Seemeilen-Export als unzureichend ab und setzte die ursprüngliche Frist fort.
2. Rechtslage: Was der UCC vorschreibt
- Zollgebiet der Union (§ 4 UCC): Umfasst neben Land auch das Meer bis 12 Seemeilen von der Basislinie.
- Beendigung des IPR-Verfahrens (§ 215 UCC): Tritt ein, wenn die Ware aus dem Zollgebiet ausgeführt wird.
- Auslauf der TA-Regelung (§ 216 UCC): Gilt analog: Mit dem Export und der anschließenden Wiedereinfuhr entsteht ein neues 18-Monats-Fenster.
Im Wortlaut des UCC lässt sich keine zusätzliche Voraussetzung – wie der Anlauf eines Dritt-Staats-Hafens – erkennen. Die einschlägigen EU-Verordnungen sind unmittelbar in allen Mitgliedstaaten anzuwenden und haben Vorrang vor nationalen Auslegungen.
3. Uneinheitliche Praxis und ihre Folgen
- Rechtssicherheit versus Regulierungs-Roulette
Theoretisch haben Yachtbetreiber klare Regeln. Praktisch genügt es aber, in einen anderen Binnenhafen einzulaufen, um eine drastisch andere Auslegung zu erfahren – mit enormen Haftungsrisiken bei Fristüberschreitung und anschließenden Einfuhrumsatzsteuer-Nachforderungen. - Doppelte Standards im selben Land
Frankreich selbst akzeptiert bei Neubaulieferungen den 12-Seemeilen-Export. Warum dieser Standard bei Fremdimporten nicht mehr gelten soll, bleibt offen und zeigt die Inkonsistenz der Anwendung.
4. Praxistipps für Eigner und Manager
- Lückenlose Ausfuhrdokumentation: GPS-Protokolle, Grenzübertrittsbescheinigungen und entsprechende Zollvermerke sollten stets bereitgehalten werden.
- Formeller TA-Neustart: Oral oder schriftlich („Annexe 71.01“) bei Wiedereintritt – idealerweise erneut in Spanien oder in einem anderen Mitgliedstaat, der die UCC-Regeln strikt interpretiert.
- Lokale Expertise einbinden: Jeder Hafen kann unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Daher empfiehlt sich die Bestätigung durch einen ortsansässigen Zollrechtsanwalt.
- EU-Klärung einfordern: Gemeinsame Anfragen an die GD TAXUD der Europäischen Kommission und den Zollcode-Ausschuss erhöhen den Druck auf eine verbindliche Leitentscheidung.
5. Ausblick: Harmonisierung dringend notwendig
Nur durch einheitliche Auslegung in allen Mitgliedstaaten lässt sich das volle Potenzial der TA-Möglichkeit sicher und planbar ausschöpfen.
- Empfehlung an die EU-Kommission: Herausgabe eines verbindlichen Leitfadens zur Ausfuhr aus den Territorialgewässern.
- Zollcode-Ausschuss: Klare Festschreibung, dass das Verlassen der 12-Seemeilen-Grenze ausreicht.
- Digitale Grenzübertrittsregister: Aufbau einer EU-weiten Plattform für automatische Exportnachweise.
Schlussbemerkung
Der Fall zeigt eindrücklich, wie viel auf dem Spiel steht, wenn einzelne Mitgliedstaaten national zusätzliche Hürden errichten. Sachgerecht angewandt ist das Überschreiten der 12-Seemeilen-Grenze nach UCC ausreichend für den Fristneustart. Bis zur EU-weiten Harmonisierung bleibt jedoch eine sorgfältige Dokumentation und lokale Absicherung unerlässlich, damit Yacht-Eigner keine finanziellen Schiffbrüche erleiden.