Flugrost auf Yachten – ein Mangel?

Die gerade drei Monate alte Yacht eines Klienten zeigte auf allen Edelstahlbeschlägen massiven Flugrostbefall. Kein kleines Schadensbild!

Mangel, Verschleiß, Haftung? Spannende Frage, denn der Jurist sagt auch hier, wie so oft: Kommt drauf an!

I.

Lassen Sie uns die Thematik zunächst aus der Sicht des deutschen Rechts beurteilen, ob Flugrost an Edelstahl einen Mangel im Sinne des § 434 BGB darstellt.

Dazu müssen wir zunächst in die Materialkunde eintauchen, denn es ist wichtig, zwischen den verschiedenen Arten von Edelstahl und den Umständen, unter denen dieser korrodiert oder Flugrost auftritt, zu differenzieren. Dies spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung, ob der Flugrost als Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit anzusehen ist. Hier sind die relevanten Überlegungen unter Einbeziehung der technischen Details:

1. Definition eines Mangels nach § 434 BGB

Ein Mangel liegt gemäß § 434 Abs. 1 BGB vor, wenn die Ist-Beschaffenheit der Kaufsache von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Dabei ist entscheidend, welche Beschaffenheit vertraglich vereinbart wurde und was der Käufer unter Berücksichtigung der allgemeinen Verwendung erwarten kann. Im Hinblick auf Edelstahl bedeutet dies:

a. Vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung

Wurde ausdrücklich ein “nichtrostender” Edelstahl vereinbart, erwartet der Käufer eine hohe Korrosionsbeständigkeit. Flugrost könnte dann als Mangel anzusehen sein, wenn die Passivschicht des Edelstahls durch äußere Umstände beschädigt wurde und dies zu einer Korrosion führt, die nicht mit der Beschaffenheitserwartung übereinstimmt. Insbesondere bei Edelstahl der Kategorien V2A oder V4A, die für ihre Korrosionsbeständigkeit bekannt sind, kann Flugrost auf einen Mangel hindeuten, wenn eine Reinigung die Schutzwirkung nicht wiederherstellen kann.

b. Übliche Beschaffenheit bei Edelstahl

Wird allgemein von “Edelstahl” gesprochen, ohne explizit auf die Art der Legierung oder den Korrosionsschutz einzugehen, ist zu prüfen, ob der Käufer bei dieser Art von Stahl Flugrost als unvermeidbare Erscheinung hinnehmen muss. Es ist nämlich eine verbreitete Fehlannahme, dass jeder Edelstahl völlig rostfrei ist. Auch nichtrostender Edelstahl kann unter bestimmten Bedingungen korrodieren. Entscheidend ist, dass die Korrosionsbeständigkeit durch die Pflege und die richtige Anwendung aufrechterhalten wird.

c. Flugrost als Folge äußerer Einflüsse

In Fällen wie Edelstahlbeschlägen auf Yachten im Freien, das durch Umfeldmetalle in der Luft kontaminiert wurde, handelt es sich um Fremdrost, der von äußeren, nicht vom Edelstahl selbst stammenden, Partikeln verursacht wird. Dieser Fremdrost beeinträchtigt nicht die Qualität des Edelstahls selbst, sondern ist eine oberflächliche Verschmutzung. Eine regelmäßige Reinigung kann das Auftreten von Flugrost verhindern und die Passivschicht des Edelstahls intakt halten. Daher könnte Flugrost in einem solchen Fall nicht zwingend als Mangel gewertet werden, da er nicht die Substanz des Materials betrifft, sondern lediglich die Oberfläche verunreinigt.

2. Beschaffenheitserwartungen und Pflegeanforderungen

Ein wesentlicher Aspekt bei der Beurteilung eines Mangels ist die Erwartung des Käufers. Bei hochwertigen Edelstählen wie V4A, die eine hohe Korrosionsbeständigkeit versprechen, kann der Käufer erwarten, dass dieser auch unter widrigen Bedingungen keine Rostspuren aufweist. In solchen Fällen könnte Flugrost als Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit betrachtet werden, wenn der Edelstahl trotz angemessener Pflege und Nutzung Rost ansetzt.

3. Pflegehinweise und Einfluss auf die Mangelbewertung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, ob der Käufer ausreichend über die Pflegeanforderungen des Edelstahls informiert wurde. Der Edelstahl erfordert regelmäßige Reinigung, um die Schutzschicht aufrechtzuerhalten. Wenn die Pflegeanleitung oder Warnhinweise (wie z.B. die Verwendung von nicht für Edelstahl geeigneten Reinigungsmitteln) nicht klar kommuniziert wurden, könnte der Flugrost auf mangelnde Information zurückzuführen sein, was wiederum zu einer Verletzung der Informationspflichten des Verkäufers führen könnte. In einem solchen Fall wäre ein Mangel anzunehmen, weil der Käufer nicht über die korrekte Handhabung informiert wurde und der Schaden durch fehlende Pflegehinweise verursacht wurde.

4. Flugrost und Kontaktkorrosion

Flugrost, der durch Kontaktkorrosion mit unedleren Metallen entsteht, weist darauf hin, dass der Flugrost in vielen Fällen nicht von der Beschaffenheit des Edelstahls selbst herrührt, sondern durch den Kontakt mit anderen Materialien verursacht wird. Solche Erscheinungen könnten nicht als Mangel des Edelstahls selbst betrachtet werden, da sie durch fremde Materialien verursacht werden, die den Edelstahl nur oberflächlich beeinträchtigen.

5. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Mangels

Sollte Flugrost tatsächlich als Mangel im Sinne des § 434 BGB angesehen werden, stehen dem Käufer die üblichen Gewährleistungsrechte zu:

  • Nacherfüllung: Beseitigung des Flugrosts durch Reinigung oder Austausch des betroffenen Teils.
  • Rücktritt oder Minderung: Bei erheblichem Mangel kann der Käufer den Kaufpreis mindern oder den Vertrag rückabwickeln.
  • Schadensersatz: Bei schuldhaftem Verhalten des Verkäufers könnte auch ein Schadensersatzanspruch bestehen.

Fazit:

Ob Flugrost einen Mangel darstellt, hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab und genau zu prüfen.

Flugrost, der durch äußere Umstände wie Fremdrost entsteht, könnte in der Regel nicht als Mangel gelten, wenn keine explizite Rostfreiheit vereinbart wurde und die Pflegepflichten des Käufers nicht vernachlässigt wurden. Bei hochwertigen, nichtrostenden Edelstählen wie V4A könnte jedoch Flugrost als Mangel angesehen werden, wenn die Korrosionsbeständigkeit durch den Verkäufer zugesichert wurde und die üblichen Pflegeanforderungen erfüllt sind.

II.

Die Rechtslage zu der Frage, ob Flugrost einen Mangel darstellt, variiert in den Mitgliedsstaaten der EU, folgt jedoch weitgehend den gleichen Grundsätzen des Vertragsrechts, da diese durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 1999/44/EG) sowie durch nationale Umsetzungsgesetze harmonisiert wurden. Diese Richtlinie legt allgemeine Standards für die Gewährleistung und Verbraucherschutzrechte bei mangelhaften Produkten fest, die in den meisten EU-Ländern ähnliche Prinzipien wie in Deutschland haben. Dennoch gibt es nationale Unterschiede in der konkreten Auslegung und Rechtsprechung. Im Folgenden wird eine Übersicht der rechtlichen Situation in einigen wichtigen EU-Ländern gegeben.

1. Europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG)

Diese Richtlinie schreibt vor, dass gekaufte Waren den im Vertrag vereinbarten Anforderungen entsprechen müssen. Weicht die Ware von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit ab, hat der Verbraucher Anspruch auf kostenlose Nachbesserung, Ersatzlieferung, Minderung oder Rücktritt. Die EU-Richtlinie gibt also einen allgemeinen Rahmen vor, ähnlich dem deutschen § 434 BGB.

Wichtig ist, dass die Richtlinie Abweichungen in der Beschaffenheit als Mangel definiert, wenn die Waren nicht für den gewöhnlichen Gebrauch geeignet sind oder nicht die erwartbare Qualität aufweisen. Flugrost könnte somit in der EU unter bestimmten Umständen als Mangel angesehen werden, wenn er die Funktionsfähigkeit oder die Ästhetik des Produkts beeinträchtigt.

2. Frankreich

In Frankreich regelt der Code de la consommation die Verbraucherschutzrechte. Ein Produkt muss den vertraglich vereinbarten Spezifikationen und den Erwartungen des Käufers entsprechen. Ähnlich wie in Deutschland kann Flugrost als Mangel angesehen werden, wenn:

  • Die Rostfreiheit des Edelstahls vereinbart wurde.
  • Der Käufer aufgrund des Kaufvertrags oder der üblichen Beschaffenheitserwartungen davon ausgehen konnte, dass Flugrost nicht auftritt.

Französische Gerichte neigen jedoch dazu, den Verkäufer zu entlasten, wenn der Käufer nicht die richtige Pflege oder Wartung durchgeführt hat, insbesondere bei nichtrostendem Edelstahl. Auch in Frankreich wird Fremdrost durch äußere Einflüsse oft nicht als Mangel des Produkts selbst betrachtet.

3. Italien

In Italien wird die Frage eines Mangels durch den Codice del Consumo (Verbraucherschutzgesetz) und den Codice Civile geregelt. Ein Produkt muss in Italien den vertraglichen Anforderungen und den allgemeinen Erwartungen an die Qualität entsprechen. Nichtrostender Edelstahl könnte unter bestimmten Bedingungen als mangelhaft angesehen werden, wenn:

  • Flugrost eine Vertragsverletzung darstellt, z.B. wenn Rostfreiheit zugesichert wurde.
  • Der Käufer erwarten durfte, dass das Produkt korrosionsbeständig ist, besonders bei hochwertigem Edelstahl.

Italienische Gerichte haben tendenziell strenge Anforderungen an die Vertragskonformität, insbesondere bei Produkten, die für ihre Korrosionsbeständigkeit beworben werden. Wird jedoch der Flugrost durch äußere Faktoren verursacht, wie z.B. Bremsstaub oder Fremdkontamination, wird dies oft nicht als Mangel des Edelstahls selbst angesehen, sondern als Oberflächenverschmutzung.

4. Spanien

In Spanien gilt das allgemeine Kaufrecht des Código Civil und des Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios (Allgemeines Gesetz zum Schutz der Verbraucher). Auch hier müssen Waren den vertraglichen Spezifikationen entsprechen, und es gelten Gewährleistungsrechte, die dem deutschen Recht ähneln. Flugrost könnte als Mangel betrachtet werden, wenn der Edelstahl als rostfrei beworben wurde und der Käufer eine entsprechende Korrosionsbeständigkeit erwarten durfte.

Auch in Spanien wird Flugrost, der durch äußere Einflüsse entsteht, in der Regel nicht als Produktmangel angesehen, sondern als äußere Kontamination. Flugrost wird häufig als Resultat von unsachgemäßer Verwendung oder unzureichender Pflege eingestuft, was die Haftung des Verkäufers einschränken kann.

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