Wie eine leere Pier: Müde und doch voller Erwartung

Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Nach fast sechs Wochen, in denen das berufliche und soziale Leben komplett heruntergefahren ist, fühle ich mich Lockdown-müde.

Über nichts anderes wird mehr geredet und geschrieben. Eine Push-Meldungen jagt die andere und ich ertappe mich dabei, dass auch ich von dem Thema nicht mehr loskomme. Wie ein News-Junkie hänge ich selbst an multiplen Nachrichtenquellen. Gleichzeitig kommt das Gefühl der Hilflosigkeit auf. Wie ein staunendes Kind blickt man auf die Welt: Verblüfft, unwissend, unerfahren, ängstlich. Da ist irgendwo ein unsichtbarer Kobolt, den wir nicht begreifen und der sich nicht nur unserer Träume, sondern der brutalen Realität bemächtigt und uns vieles zu nehmen scheint, an das wir glaubten. Wir begreifen nicht. Es übersteigt unseren Alltagsverstand und es fehlen uns Heuristiken, um damit auch intuitiv umzugehen. Wie Kinder lernen wir neu und erfahren zumindest teilweise ein Reboot unseres Erfahrungswissens. Jedes Morgen wird zum neuen Abenteuer.

Und dennoch: Dieses Runterfahren hat mir auch gut getan. Ich komme da und dort zur Ruhe, muss manches nicht tun, was mich sonst bestimmt hat, weil alle auch nichts daran ändern können. Kollektive Frostung. Multitasking, Deadlines ohne Ende, Termine, Reisen, Airports, alles sofort und ohne Rücksicht… vieles ruht.

Telefonate und Videokonferenzen sind unaufgeregter, sachlicher, ruhiger geworden. Ich muss gestehen, vieles effizienter. Wir selektieren und lernen, dass manches mindestens genau so gut auch anders zu erledigen ist. Ich muss nicht mehr wegen einer Stunde Konferenz nach Hamburg rasen. Das wird auch so bleiben – habe ich mir geschworen.

Ich komme mir gerade vor wie auf einer leeren Pier stehend, der Horizont im Morgennebel. Reflexiv, gespannte Ruhe. Was wird der Tag bringen? Ich weiß es nicht. Der Moment tut gut.

Abgesehen davon, dass ich zu viel an den laufenden Nachrichten und Informationsquelle hänge, bekommt die Seele mehr Frieden, mehr Zeit zum Nachdenken, für Gespräche. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Gedanken und Ideen zu Papier gebracht wie in den letzten Wochen. Auch dieser Blog hier profitiert davon. Dabei drehen sich nicht alle Gedanken nur um Yachten, sondern um die Wirtschaft und Gesellschaft im allgemeinen, die uns alle und auch die Yachtindustrie prägen und künftig prägen werden. Yachteigner, die nicht zu Ihren Schiffen dürfen mit Schiffen, die nicht ausfahren dürfen, sind genau so machtlos wie jeder andere. Keine Ausnahme.

In der NZZ fand ich heute einen lesenswerten Beitrag von Prof. Josef Hättenschwiler, Chefarzt des Zentrums für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich über die Psyche des Menschen in der Krise.

Was mich motiviert ist darüber nachzudenken, wie man unsere „Welt“ nach oder mit Corona neu gestaltet und baut. Das ist wie eine vom Erdbeben getroffene Stadt – Zagreb kürzlich – die man auch nicht so aufbaut wie sie war, denn diese war fragil, sondern so, dass sie Erdbeben weitgehend schadlos übersteht.

Lebensfähigkeit wird sich künftig aus einem Mix von Faktoren wie Komplexität, Resilienz, Robustheit, Agilität, Antifragilität definieren. Antifragilität ist dabei mehr als Resilienz oder Robustheit. Das Resiliente widersteht Schocks, bleibt sich im Kern aber gleich, das Antifragile wird auf neuem Niveau lebensfähiger, dynamisch anpassungsfähiger und flexibler…

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