Verschärfung der Wegzugsbesteuerung ab 2022

Globalisierung und europäische Integration führen zu einer erhöhten Mobilität von Steuerpflichtigen. Dazu kommt, dass immer mehr Vermögende, auch Eigner von Großyachten, überlegen, wie sie legal international ihr Vermögen sichern und optimal verwalten können. Hier kommen u.a. auch Wegzugsüberlegungen ins Spiel.

Doch ist Vorsicht geboten, denn neben internationalen Gestaltungen werden bei GmbH-Geschäftsanteilen und gegebenenfalls über eine Entstrickung auch bei Anteilen an Personengesellschaften wie der KG, bzw. GmbH & Co. KG oder der GbR in Deutschland stille Reserven aufgelöst, die zu versteuern sind. Bei Personengesellschaft müsste weiterhin ihren Sitz ausschließlich in Deutschland sein, was beim Wegzug des geschäftsführenden Gesellschafters regelmäßig nicht mehr der Fall ist.

Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2021 das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) beschlossen. Über den Anwendungsbereich besagter Richtlinie hinaus, die nur Betriebsvermögen betrifft, hat der deutsche Gesetzgeber darin auch die Wegzugsbesteuerung für privat gehaltene Gesellschaftsanteile neu gefasst (siehe hierzu bereits unsere Mandanteninformation vom 15. Januar 2020). Insbesondere wird die zinslose unbefristete Stundung bei Wegzug von EU-/EWR-Bürgern innerhalb des EU-/EWR-Raums abgeschafft und durch die Möglichkeit einer siebenjährigen Ratenzahlung ersetzt. Bundestag und Bundesrat haben dem sog. „ATAD-Umsetzungsgesetz“ zugestimmt. Die Wegzugsbesteuerung wird dadurch umfassend reformiert und in den EU-/EWR-Fällen enorm verschärft. Die Änderungen greifen ab dem Veranlagungszeitraum 2022.

Für Anteilseigner von Kapitalgesellschaften (mind. 1%) im Privatvermögen kann eine Wohnsitzverlagerung ins Ausland erhebliche Steuerbelastungen zur Folge haben. Im Falle des Wegzugs wird im Zeitpunkt des Wegzugs eine Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile finigiert und führt daher zur Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in den Anteilen.Neben dem Wegzug löst auch die unentgeltliche bzw. teilentgeltliche Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen auf im Ausland lebende Kinder diese Fiktion aus.

Ist der Wegzügler Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staats und zieht er in (irgend-)einen EU-/EWR-Staat, so wird nach der aktuellen rechtslage die durch den Wegzug ausgelöste Einkommensteuer zwar festgesetzt, die Steuer wird aber von Amts wegen unbefristet, zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet. Faktisch wird dadurch der EU-/EWR-Umzug nahezu gleichbehandelt mit dem Umzug innerhalb Deutschlands.

Diese großzügige spezielle Stundungsregel für EU-/EWR-Fälle wird durch das nun beschlossene ATAD-Umsetzungsgesetz mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2022 gestrichen. Zukünftig wird für alle Wegzüge (auch in Drittstaaten-Fällen) die Stundung nur noch verteilt auf sieben Jahresraten gewährt. Auch eine Sicherheitsleistung soll i.d.R. verlangt werden. Eine Verzinsung ist aber nicht vorgesehen. Dennoch bedeutet dies für EU-/EWR-Fälle eine deutliche Verschlechterung. Anders als bisher kommt es künftig zu einer sofortigen Steuerbelastung. Die Stundung auf sieben Jahresraten kann dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass die faktische Gleichbehandlung mit Umzügen innerhalb Deutschlands wegfällt.

Die Neuregelung ist daher insbesondere vor dem Hintergrund des unionsbürgerlichen Freizügigkeitsrechts kritisch zu hinterfragen. Die Norm dürfte alsbald die Finanzgerichtsbarkeit beschäftigen.

Ich persönlich halte diese Verschärfung für nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rechtssache Wächtler (vom 26. Februar 2019, C-581/17) das Erfordernis der Gleichbehandlung inländischer Umzüge mit Umzügen über die Grenze innerhalb des EU-/EWR-Raums (sowie im entschiedenen Fall der Schweiz) herausgestellt. Die Gesetzesbegründung selbst spricht diesen Widerspruch ausdrücklich an, beruft sich aber auf andere, ältere EuGH-Rechtsprechung im Zusammenhang mit der steuerlichen „Entstrickung“ von Betriebsvermögen.

Die weitgehende Gleichstellung von Wegzügen in die Schweiz mit EU-/EWR-Wegzügen auf der Grundlage des Freizügigkeitsabkommens der Schweiz mit der EU durch das Wächtler-Urteil des EuGH dürfte möglicherweise Grund für die Verschärfung der deutschen Wegzugssteuer sein.

Dennoch: Gerade für den mittelständischen Anteilseigner bedeuted das eine unmittelbare und erhebliche Einschränkung seiner durch das EU Recht gerade gewährten innereuropäischer Mobilität. Für mich ist das ein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs sowie die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU und des EWR. Widersprüchlich, denn für Wegzüge in Drittstaaten (insbesondere auch in Länder ohne Freizügigkeitsabkommen mit der EU und sogar in Länder ohne ein DBA mit Deutschland) gibt es nun sogar leichtere Ratenzahlungsmöglichkeit entgegen früher.

Insoweit wäre darüber nachzudenken, vor einem Wegzug über eine Sitzverlegung ins EU/EWR Ausland nachzudenken. Nach der Sitzverlegungsrichtlinie ist es möglich, dass eine Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union formwahrend und steuerneutral den Satzungssitz aus einem Mitgliedsstaat in ein jeweils anderes EU-Mitgliedsland verlegt wird. Damit würde eine Sitzverlegung innerhalb von Europa bezüglich der steuerlichen Folgen faktisch einer Sitzverlegung innerhalb von Deutschland gleichgestellt werden.

Gegen die Wegzugsbesteuerung spricht auch der Rechtsgedanke der Europäischen
Gesellschaft „Societas Europea“ (SE), die seit dem 08.10.2004 in allen EU-Staaten gegründet werden und mit einem einheitlichen Management und Berichtssystem überall in der Europäischen Union tätig werden können.

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