Leistungs- und Lieferprobleme durch die Corona Pandemie

1. Lieferprobleme:

Aktuell erleben wir eine Fülle von Lieferproblemen, weil in der Lieferkette Verkäufer/Lieferant nicht liefern können, da gesetzliche Regelungen oder  Einzelfallentscheidungen im Zuge der Corona-Krise eine Lieferung verhindern, z.B.

  • weil seine Mitarbeiter den Betrieb wegen einer (behördlich/gesetzlich angeordneten oder selbstverordneten) Quarantäne nicht betreten und die Ware fertigstellen können,
  • weil Ausfuhrverbote angeordnet wurden oder
  • weil Zulieferer zur Weiterverarbeitung benötigte Teile oder Rohstoffe nicht liefern können (Probleme in der Lieferkette); Probleme bei der Beschaffung
  • damit Probleme bei der Produktion
  • Probleme bei der Auslieferung
  • Käufer hat Probleme bei der Anlieferung sowie der Verwendung und letztlich
  • Käufer/Verkäufer haben finanzielle Probleme

2. Abnahme

Daneben kann es auch bei Problemen bei Abnahme (Annahme) der Ware kommen, die etwa auf Erkrankung und/oder Schließung des abnehmenden Betriebs oder bei Holschulden auf nicht möglicher Abholung wegen Grenzschließungen oder fehlender Dienstleister ((Spezial-) Transporte, Fahrer) beruhen.

Mangels Rechtswahl kommt das deutsche Recht also nur dann zur Anwendung, wenn der Verkäufer seinen Sitz in Deutschland hat (und nur insoweit, als das UN-Kaufrecht nicht greift)

3. CORONA-Pandemie als höhere Gewalt?

Hierzu gibt es kaum Gesetzes-Recht und wenig Rechtsprechung_

Ziff. 12.2. ADSp z.B. lautet für Speditions-Lieferungen: „Leistungshindernisse, die nicht dem Risikobereich einer Vertragspartei zuzurechnen sind, befreien die Vertragsparteien für die Dauer der Störung und den Umfang ihrer Wirkung von den Leistungspflichten. Als solche Leistungshindernisse gelten höhere Gewalt, Unruhen, kriegerische oder terroristische Akte, Streiks und Aussperrungen, Blockade von Beförderungswegen sowie sonstige unvorhersehbare, unabwendbare und schwerwiegende Ereignisse.“ Im Falle eines Leistungshindernisses ist gemäß Ziff. 12.2. ADSp jede Vertragspartei verpflichtet, die andere Partei unverzüglich zu unterrichten; der Spediteur ist zudem verpflichtet, Weisungen des Auftraggebers einzuholen.

Die CMR enthält dagegen nur eine einfachere Regelung zum unvermeidbaren Ereignis in Artikel 17 Absatz 2: „The carrier shall however be relieved of liability if the loss, damage or delay was caused (…) through circumstances which the carrier could not avoid and the consequences of which he was unable to prevent.“

Definition der höheren Gewalt:

Als Ansatzpunkt einer Definition aus den o.g. Regelungen dient lediglich Ziff. 12.2. ADSp, wonach die höhere Gewalt zu den Leistungshindernissen, die nicht dem Risikobereich einer Vertragspartei zuzurechnen sind, zählt. Im Übrigen wird die höhere Gewalt auch an dieser Stelle nicht definiert, sondern als Tatbestandmerkmal vorausgesetzt. Daneben kann auch das UN-Kaufrecht zurück gegriffen werden, das in Art. 79 CISG eine ausdrückliche Regelung enthält. Der BGH hat mit Urteil vom 16.5.2017 – X ZR 142/15 (VersR 2017, 108) zu § 651 j BGB a.F. festgestellt, dass höhere Gewalt ein „von außen kommendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis ist, das weder der betrieblichen Sphäre des Reiseveranstalters noch der persönlichen Sphäre des Reisenden zuzuordnen ist.“

In einem zu § 2 HPflG ergangenen Urteil vom 22. 4. 2004 hatte der BGH (NVwZ 2005, 358, III ZR 108/03 (LG Köln)) die höchstrichterliche Rechtsprechung zur höheren Gewalt zusammengefasst als ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist“.

Insgesamt ist festzuhalten:

  • Es gibt keine generelle Regelung, sondern es kommt auf den Einzelfall, die Umstände und die bestehenden bzw. geltenden Regelungen an:
  • Es müssen folgende Attribute gegeben sein:
  • Vorhersehbarkeit,
  • Vermeidbarkeit,
  • betriebliche Herkunft und die
  • Möglichkeit der Beseitigung des Ereignisses Merkmale, die höhere Gewalt ausschließen.

Bzgl. der Pandemie ist die Kernfrage, wann der streitige Vertrag geschlossen wurde. Nach dem 30. Januar 2020 wird wohl kaum mehr jemand sich damit exkulpieren können, dass  er keine Vorstellung vom Ausmaß der CORONA-Pandemie haben konnte, weshalb höhere Gewalt nach dem Gesetz ohne spezielle vertragliche Force Majeure Regelung ausscheidet.

Die nachträgliche Unmöglichkeit einer Leistung infolge der Corona Pandemie hängt vom zu liefernden Gegenstand ab. Typisch sind Fixgeschäfte und verderbliche Ware oder Saisonware, die eventuell vom Schuldner selbst nicht zu erlangen sind. Bei der nachträglichen Unmöglichkeit kann nun der Haftungsausschlussgrund der nicht zu vertretenden Unkenntnis des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB greifen und einen Schadenersatzanspruch ausschließen.

Der Verweis des § 275 Abs. 4 BGB auf die Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB bleibt dabei bestehen und der Schuldner muss den Beweis führen, dass er das Leistungshindernis nicht zu   vertreten hat.

Befand sich der Schuldner bei Eintritt des Ereignisses, dass die Leistung verhindert, bereits in Verzug, so schuldet er nach den Maßgaben der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB Schadenersatz und wird sich nicht mit Hinweise auf höhere Gewalt berufen können.

Bei der Gattungsschuld ist zu beachten, dass der Schuldner sich nicht auf die Befreiung seines Vorlieferanten von der Leistungspflicht berufen kann. Eine solche Gattungsschuld liegt vor, wenn der Schuldner/Lieferant das Beschaffungsrisiko im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB übernommen hat. Trägt der Lieferant das Beschaffungsrisiko für eine Gattungsschuld, so muss er, ähnlich der verschuldensunabhängigen Garantie, grds. alle Möglichkeiten ausschöpfen und Maßnahmen ergreifen, um die Ware erforderlichenfalls auch anderweitig zu erlangen und zu liefern. In der Praxis werden zu diesem Zwecke Selbstbelieferungsklauseln oder Klauseln über die Beschränkung auf den Vorrat abgeschlossen.

Aktionen:

  • Mitteilung an und Kontaktaufnahme mit anderer Vertragspartei
  • Abhilfen, Schadensminderung, Dokumentation
  • Mitteilung an einschlägige Versicherungen
  • sorgfältige Redaktion jetzt abzuschließender Verträge / Vertragsänderungen, vor allem:
    • anwendbares Recht,
    • Incotermsforce majeure / hardship – Klauseln
    • Streiterledigung / Schiedsklauseln

Für alle neuen Verträge unbedingt eine individuell passende und gestaltete Force-Majeure-Klausel rechtswirksam vereinbaren.

Für die Gestaltung und den Einbezug einer Force-Majeure-Klausel gilt die AGB-Inhaltskontrolle des § 307 BGB. Ich rate daher die Klausel eher nicht in die AGB zu packen, sondern in die individuelle Vertragsvereinbarung. Soweit in der Klausel eine Partei nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, etwa weil die Gegenleistungspflicht des Gläubigers zugunsten des von der Leistungspflicht befreiten Schuldners bestehen bleibt, oder sich der Gläubiger nicht vom Vertrag lösen kann, ist daher grundsätzlich von einer Wirksamkeit auszugehen.

Mein Rat generell:

Keine schnellen und undurchdachte Aktionen, vielmehr

  • Überprüfen,ob der Vertrag direkt – oder vielleicht auch nur indirekt – eine Lösung für die eingetretene Situation bereithält
  • Klären, welche Partei danach an wen, wann, was, wo und wie leisten muss; „kann nicht liefern“ wenig aussagekräftig
  • Anhand der vertraglichen Absprachen im Einzelnen untersuchen, welche der Parteien nach dem Vertrag das Risiko für die eingetreten Situation zu übernehmen hat,
  • Bedeutung des Lieferortes prüfen
  • Letztlich herausarbeiten, welche Konsequenzen sich aus all den Punkten für die Vertrags-Parteien ergeben.

Mein Rat besonders für die Yacht-Branche:

Auch wenn das UN-Kaufrecht nach Art 2 e) für Geschäfte rund um Seeschiffe nicht per Gesetz gilt, halte ich dessen ausdrückliche Vereinbarung oder die Übernahmen bestimmter Regelung in Verträge für eine ausgesprochen vorteilhafte Gestaltung.

Das CISG ist ein kodifiziertes internationales Recht des Güterhandels, das 93 Vertragsstaaten gezeichnet haben. §§ 478, 479 BGB sind jetzt zu §§ 478, 445a und 445b BGB geworden, die Inhalte ansonsten weiter zutreffend. Zudem bestätigen die derzeitigen Verhältnisse, dass das Instrumentarium des UN-Kaufrechts deutlich geeigneter ist als das BGB und andere EU-Rechte, um in der Praxis mit Corona-bedingten Leistungs- und Lieferschwierigkeiten fertig zu werden, denn Art. 79 CISG bietet klare Konturen für eine kurzfristige Orientierung, was bei §§ 275, 313 BGB leider nicht der Fall ist.

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