EU-weit: Neues Kaufrecht für Verbraucher – Großer Einfluss auf private Yachtkäufe

Die Richtlinie 2019/770 (Digitale Dienstleistungen – DLDRL) und die Richtlinie 2019/771 (Warenkauf-WKRL)  führen gemeinsam in dieselbe Richtung. Ihr Ziel ist es, das Verbraucherschutzniveau zu erhöhen und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern, indem Konformitätsstandards und Rechtsbehelfe in Verträgen über den Verkauf von Waren und die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen festgelegt werden.

Bereits im Januar 2022 habe ich mit einem ersten Beitrag über die Umsetzung in Deutschland hingewiesen. Heute folgt eine Vertiefung sowie ein Ausblick auf die Umsetzung in anderen EU-Staaten – hier am Beispiel Polens, die in der Vergangenheit immer noch die gesetzliche Möglichkeit hatten einvernehmlich auch bei Verbrauchern die gesetzliche Gewährleistung abzubedingen, was Unternehmen wie z.B. SUNREEF weidlich nutzen bzw. sogar zur Bedingung für einen Yachtkauf machten.

Im (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht erfolgt ab 2022 eine Abgrenzung von

  • digitalen Produkten (§ 327 BGB n.F.); als Überbegriff für digitale Inhalte (z.B. PC-Programme, Video-, Audio- und Musikdateien) und digitale Dienstleistungen (z.B. Social-Media- und Messenger-Dienste, Plattformen, Datenbanken)
  • Waren mit digitalen Elementen
  • (analogen) Waren (wie z.B. eine Yacht), worauf ich hier den Schwerpunkt lege

I.

Ein neuer Sachmangelbegriff für alle Kaufsachen

Frei von Sachmängeln ist eine Ware in Zukunft nur noch, wenn sie – kumulativ – mit den subjektiven Anforderungen und den objektiven Anforderungen sowie mit den Montageanforderungen übereinstimmt.

Anders als nach dem alten Recht kann die Sache daher auch dann mangelhaft sein, wenn sie der vereinbarte Beschaffenheit (also den subjektiven Anforderungen) entspricht. Zwar spielen objektive Anforderungen auch bisher schon eine Rolle für den Mangelbegriff. Dies gilt aber nur, soweit keine subjektive Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde. Dieser automatische Vorrang von Beschaffenheitsvereinbarungen greift in Zukunft nicht mehr.

Um den objektiven Anforderungen zu entsprechen, muss die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen derselben Art üblich ist und vom Käufer erwartet werden kann.

Die Einhaltung der objektiven Anforderungen erfordert eine laufende Prüfung, ob die Produkte (noch) der (branchen- und produkt-)üblichen Beschaffenheit entsprechen, was nicht einfach sein wird. Gerade bei komplexen Kaufsachen wie Yachten werden zudem oftmals Beschaffenheiten vereinbart, die individuell zugeschnitten und daher gerade nicht üblich sind.

Die Anforderungen an gute Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen steigen damit, um Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu verhindern. Wichtig wird es vor allem werden, nicht nur die Spezifikation, die Eigenschaften der Sache POSITIV zu beschreiben, sondern für die neuen Anforderungen gerade das Fehlen von Eigenschaften der Sache, in Form einer NEGATIVEN Beschaffenheitsvereinbarung festzulegen. Im B2C-Bereich sind insoweit jedoch – wie bereits bisher – die strengen Voraussetzungen des § 476 BGB sowie dessen neue Informations- und Hinweispflichten bezüglich des Abweichens von den objektiven Anforderungen zu beachten.

HANDLUNGSBEDARF:

Produktangebot, Vertragsmuster und AGB an die neuen Anforderungen anzupassen. Nachteilige Abweichungen von den Richtlinien gegenüber Verbrauchern sind unzulässig und werden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten.

Klassische Kaufverträge müssen an den neuen Sachmangelbegriff angepasst werden. Im Bereich der digitalen Produkte bzw. Sachen mit digitalen Elementen müssen mit Blick auf die Aktualisierungspflicht der Umfang der Informations- und Lieferpflichten und deren Aufteilung zwischen Händler und Hersteller in den Verträgen der Lieferkette geregelt und ggf. auch operative Abläufe angepasst werden.

Yachten sind regelmäßig aufgrund ihrer hohen Digitalisierung und Funkausstattung auch Waren mit digitalen Elementen.

Sowohl für Sachen mit digitalen Elementen als auch für digitale Produkte gilt insbesondere ein erweiterter Sachmangelbegriff: den Verkäufer trifft zusätzlich eine Aktualisierungspflicht, wodurch Gewährleistungsrechte auch dann entstehen können, wenn die Ware an sich bei Gefahrübergang mangelfrei war.

Der Begriff „Funktionalität“ bekommt damit eine neue Bedeutung. Der Begriff „Interoperabilität“ bezieht sich auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Waren mit einer anderen Hardware oder Software als derjenigen, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden, funktionieren. Das erfolgreiche Funktionieren könnte beispielsweise die Fähigkeit der Waren umfassen, Informationen mit einer solchen Software oder Hardware auszutauschen und die aus getauschten Informationen zu nutzen.

Im neuen Kaufrecht in Deutschland gelten damit generell:

  1. Kein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen mehr erforderlich. Das Fristsetzungserfordernis bei Rücktritt, Minderung und Schadensersatz durch den Verbraucher entfallen nach § 475d BGB geregelt.
  2. Verjährung von Gewährleistungsrechten: Gewährleistungsansprüche verjähren nicht vor
    Ablauf von vier Monaten nach erstmaligem Auftreten des Mangels bzw. nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach einer Nacherfüllung aus Gewährleistung oder Garantie. Bei einem Mangel, der sich erstmals am letzten Tag der Gewährleistungsfrist zeigt, läuft die Gewährleistungszeit also noch weitere vier Monate. Aus diesem Grund sollten Verkäufer mit einer faktischen Gewährleistungszeit von 28 Monaten rechnen und entsprechende Regelungen mit ihren Lieferanten vorsehen.
  3. Verlängerung der Beweislastumkehr (§ 477 BGB): Der Zeitraum, in dem die Vermutung zugunsten des Verbrauchers greift, der Mangel habe schon bei Gefahrübergang vorgelegen, wurde von bislang sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Hierdurch werden Gewährleistungsfälle – und folglich auch Regresse gegenüber Lieferanten – zunehmen. M.E. wird diese Regelung am meisten die Qualitätsanforderungen für Waren beeinflussen.
  4. Garantien (§ 479 BGB), d.h. kommerzielle freiwillige “Qualitätszusicherung” müssen
    auch ohne entsprechendes Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Es muss zudem deutlich aus den vertraglichen Vereinbarungen hervorgehen, dass Garantien unabhängig neben gesetzlichen Gewährleistungsrechten bestehen. und sich nicht gegenseitig bedingen.

II.

Umsetzung

Die mit der Richtlinie 1999/44/EG festgelegte Mindestharmonisierung hat in der Vergangenheit nicht die gewünschte Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarktes gebracht und wurde durch nationale Regelungen zugunsten der Industrie unterlaufen.

Schauen wir beispielhaft einmal nach POLEN, wo dies der Fall war.

Bisher galt dort unter Civil Code Art. 558 § 1:

The parties may expand, limit or exclude warranty liability. In that case the investor will be entitled only to the rights provided in the contract, for the time provided in the contract.

Das wurde dann so ausgenutzt – bei Sunreef z.B. – dass einfach ein Kaufvertrag nur abgeschlossen wurde (Verkäufermacht), wenn der Kunde vertraglich zustimmte, einvernehmlich und damit zweiseitig die gesetzliche EU-Gewährleistung (damit auch die Möglichkeit der Rückabwicklung, was nicht gewünscht war) abzubedingen und dafür Garantie-Regelungen zu vereinbaren, die im Falle der Nachbesserung aber deutlich ungünstiger für den Käufer waren. So hatte dieser z.B. meist alle Logistikkosten zu tragen, die im Falle einer Gewährleistung dem Verkäufer obliegen.

Eine der Voraussetzungen für den Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004, war die Umsetzung bereits bestehender Verbraucherschutzmaßnahmen, einschließlich harmonisierter Bestimmungen über Verbraucherkäufe. In Anbetracht des Zeitdrucks beschloss der polnische Gesetzgeber, die Richtlinie 1999/44/EG außerhalb des Zivilgesetzbuches umzusetzen – in einem eigenen Gesetz über besondere Bedingungen für Verbraucherkäufe, was rechtsdidaktisch falsch war. Die Entscheidung, keine einheitliche Lösung für den Verbrauchsgüterkauf und den Nicht-Verbrauchsgüterkauf zu entwickeln, ohne eine klare Abgrenzung zwischen den beiden Regimen vorzunehmen, führte zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten in Grenzfällen. Ein stärker integrierten Ansatz fand 2014 statt, als der polnische Gesetzgeber gezwungen war, die Richtlinie 2011/83/EU über Rechte der Verbraucher (CRD) umzusetzen.

Die vorgenannten neuen Richtlinien unterliegen dem Prinzip eine Vollharmonisierung vorsehen. Dazu kommt, dass, obwohl der persönliche Anwendungsbereich beider Richtlinien auf Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) beschränkt ist, die Mitgliedstaaten den neue Verbraucherschutz auf andere Einrichtungen wie Nichtregierungsorganisationen, Start-ups oder kleine und mittlere Unternehmen auszudehnen können.

Ende Dezember 2020 veröffentlichte das Government Legislation Centre Polens dann einen Gesetzentwurf zur Umsetzung beider Richtlinien in das Gesetz über die Rechte der Verbraucher und eine Aufhebung der Bestimmungen des polnischen Zivilgesetzbuches vor.

Ich bin gespannt, wie Änderungen künftig aussehen werden und welche Konsequenzen dies auf künftige Vertragsverhandlungen mit polnischen Werften in B2C-Verträgen haben wird. Wenn damit die Abbedingungen der Gewährleistung nicht mehr möglich sein wird mit der Folge, dass man 28 Monate Gewährleistungszeitraum einkalkulieren muss, wird wahrscheinlich versucht werden alle Geschäft B2B abzuwickeln. Auch das habe ich bereits erlebt, dass Werften dann vorgeben “nur B2B” zu verkaufen und einen Verbraucher zwingen eine Kauf-Handelsgesellschaft zu gründen, was m.E. einen Umgehung und damit eine klaren Verstoß gegen unabdingbares Recht darstellt.

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